Ein Stimmungsbild aus dem Arbeitsleben einer Soloselbständigen Illustratorin

Ein Stimmungsbild aus dem Arbeitsleben einer soloselbständigen Illustratorin

30/01/2025

2024 liegt hinter uns und damit auch ein erneutes Geschäftsjahr für tausende Künstler*, Medien- und Kulturschaffende*. Wie ist es ihnen ergangen zwischen postpandemischer Auftragslage, Künstlicher Intelligenz, drohendem Sozial- und Kulturabbau und Überlebenskünstlertum?

Zeit für ein kleines Interview zu einem stürmischen Jahreswechsel mit Isabell, 39, soloselbstständige Illustratorin und Grafikerin aus Berlin.

Was bist du von Beruf und wie ist dein Arbeitsmodell?

Ich bin seit 13 Jahren freiberufliche Illustratorin und Grafikerin.

Wo arbeitest du?

Ich habe einen Arbeitsplatz in einem Gemeinschaftsatelier.

Wie sieht es derzeit mit Aufträgen aus?

Es kommen selten Aufträge rein. Während Corona hat sich die Auftragslage bei mir extrem verschlechtert, nach der Pandemie ist es eher unstet geblieben. Zwar kann ich trotzdem mein Leben davon bestreiten, was, im Vergleich, toll ist, aber die Unsicherheitsgedanken nehmen zu.

Wie sieht ein ganz normaler Arbeitstag aus?

E-Mails lesen und beantworten. Für Aufträge Ideen und Skizzen konzipieren und zeichnen. Diese dann verschicken und auf Antwort und Feedback der Kunden warten. Danach die Reinzeichnung anfertigen und abschicken und dann auch sogleich die Rechnung stellen.

Sind es Arbeitstage oder Wochen ohne konkrete Aufträge, kümmere ich mich um Social Media und Büroarbeit, außerdem zeichne ich und recherchiere zu Themen, die mich interessieren und denke über Alternativen zu meinem Beruf nach.

Wie betreibst du Akquise?

Über die gängigen Kanäle: Instagram, LinkedIn. Einmal pro Jahr verschicke ich eine Mail an alle Kunden mit Neujahrsgrüßen oder einem Link zu einem Website-Update.

Inwiefern kümmerst du dich um deine Sichtbarkeit?

Ich versuche, regelmäßig auf Instagram Beiträge oder Storys zu posten, auch auf LinkedIn. Einen Newsletter habe ich als Soloselbstständige bisher nicht gebraucht. Sonst mache ich kein Marketing.

Die letzten Jahre waren auch für die Kultur- und Kreativwirtschaft eine große Belastung. Wie hast du diese Zeit erlebt und wie hat sie sich auf deinen Beruf ausgewirkt?

Wie schon erwähnt: Seit der Pandemie sind die Aufträge bei mir eingebrochen, vor allem im Editorial-Bereich. Die Anzeigenkunden haben gefehlt, die Formate sind digital geworden, das Papier wurde teurer, die Seitenanzahl wurde gekürzt. Seither wird auch weniger bezahlt trotz Inflation.

Dazu kommt nun auch die KI und dass die Designer und Artdirektoren nun auch selbst vermehrt Illustrationen inhouse erstellen/lassen.

Das geht an unserer Branche nicht spurlos vorüber. Eines der ersten Gesprächsthemen bei Treffen mit Kolleginnen und Kollegen ist: „Und, hast du einen Plan B?“

Hast du finanzielle Unterstützung bekommen und wenn ja, welche?

Ich habe einmalig einen Zuschuss der Coronahilfen bekommen und ein Stipendium über Neustart Kultur für ein Arbeitsvorhaben.

Welche anderen Ressourcen standen dir zur Verfügung?

Die Kunst, mein soziales Umfeld, Bücher.

Was hättest du dir gewünscht?

Mehr politische Wertschätzung für die Künstler* und kreativen Berufe – auch sie haben Systemrelevanz! Eine Gesellschaft ohne Kunst, Literatur etc. ist verloren. Wohin soll man gehen, wenn es nur noch eine Realität gibt: die, die Politik, Wirtschaft oder Topmanager vorgeben? Das macht absolut keinen Sinn. Es geht nicht nur um Wirtschaftlichkeit.

Hast du Verbesserungsvorschläge?

Vielleicht eher einen Appell: Unseren Beruf nicht als Überlebenskünstlertum darzustellen, nach dem Motto, die haben ja sowieso nichts, kommen jetzt auch klar, alles andere ist wichtiger.

Wie war dein Weg bis zu dieser Zäsur der gefühlten „Systemirrelevanz“?

Nach meinem Grafikdesign- und Illustrationsstudium habe ich mich entschieden, mich selbstständig zu machen. Am Anfang habe ich, als es noch nicht möglich war, ganz von den Aufträgen zu leben, nebenher an Schulen Zeichenworkshops für Kinder gegeben. Das habe ich aufgehört, als es anfing zu laufen.

Hast du das Gefühl, gut ausgebildet zu sein?

Wo hast du Bedarf, bzw. gibt es Themen, in denen du dich gerne fortbilden würdest?

Ja, ich bin gut ausgebildet, habe einen Abschluss an einer der renommiertesten Unis für meinen Bereich und dazu mehrjährige Berufserfahrung. Allerdings habe ich mich in den gängigen Adobe-Programmen nicht wirklich weitergebildet, was bisher auch nicht nötig war, da ich überwiegend analog arbeite – obwohl sich dadurch sicherlich mehr Möglichkeiten für die Bearbeitung der Zeichnungen ergeben hätten. Sich geschickt zu vermarkten und was es so braucht, um seine Range bei Kunden zu erweitern und die Preise zu erzielen, die man sich vorstellt, das sind Themen, zu denen ich mich gerne weiterbilden möchte.

Es wird oft gesagt: „Its´s all about the network”. Viele von uns Künstlern* und Kreativen agieren aber nicht selten alles andere als strategisch. Wie ist es um dein berufliches Netzwerk bestellt?

Ich bin eher ein „Einzel-Worker“. Aber klar findet in der Ateliergemeinschaft Austausch über Aufträge oder Strategien bei Vertragsverhandlungen statt.

Bist du Mitglied in einem Verband oder etwas Ähnlichem?

Ich bin bei der VG Bild-Kunst.

Hast du Vorbilder?

Alles und alle, die mich inspirieren, die zum Denken anregen, das sind meine Vorbilder. Keine konkrete Person.

Was war deine beste Arbeit bisher?

Ich kann nicht sagen, welche die beste Arbeit war, aber ich bin besonders angetan von Aufgaben und Aufträgen, bei denen ich thematisch und inhaltlich viel Neues lerne und zudem die Zusammenarbeit mit den Designern/Artdirektoren/Kunden bereichernd ist. So kann ich meine visuelle Sprache und meinen Werkzeugkasten erweitern.

Was war der herausforderndste Auftrag?

Herausfordernd ist es immer dann, wenn Motive/Illustrationen in kurzer Zeit gefragt sind, das finde ich einerseits ziemlich gut, aber manchmal kommt auch der Gedanke: Hoffentlich bekomme ich noch eine passende, gute Idee, die meinen eigenen Ansprüchen gerecht wird.

Wie sicher bist du dir bei deiner Preisgestaltung? Wie gut bekommst du sie verhandelt?

Bei der Preisgestaltung im Editorial-Bereich bin ich mir sehr sicher. Dort wird meist auch nicht gehandelt, weil es so eine Art Normpreis gibt. Stellt es sich mir als zu wenig dar oder sind zu viele Nutzungsrechte gewollt, verhandle ich nach. Bleibt es zu wenig, sage ich den Job ab, außer er ist so interessant, dass mir das Honorar nicht wichtig ist und es um die Sache geht.

Wenn es um große Projekte mit vielen verschiedenen Nutzungsarten geht, bin ich mir nicht sicher. Es gilt viel zu beachten, viele Dinge, die man vergessen kann, die aber wichtig wären. Man lebt ja zukünftig vor allem auch von den Nutzungsrechten. Es gilt, einen Vertrag, der einen absichert, als Kostenvoranschlag oder Angebot zu schreiben, obwohl man kein Jurist ist und auch kein firmer Agent – das ist ziemlich schwierig. Im Web und den bekannten Büchern, den Plattformen, z. B. bei der Illustratorenorganisation, gibt es Kalkulatoren, aber ich finde, dass diese meist zu undifferenziert sind. Mit Kolleginnen und Kollegen kann man sich besser besprechen und Erfahrungen austauschen. Das ist je nach eigener Vernetzung manchmal mehr, manchmal weniger möglich. Es ist schade, man könnte sich gegenseitig viel mehr helfen und so auch bessere Preise erzielen und wüsste, dass man nicht allein ist mit all den Themen, wie macht man dies und das.

Des Öfteren denke ich, mich unter Wert verkauft zu haben, weil ich keine Vergleichswerte habe und weil man von den Kunden aus der freien Wirtschaft immer runtergehandelt wird, aber man ist eben auch auf diese Aufträge angewiesen und kann nicht alles ausschlagen. So macht man dann schlechte Abschlüsse und ärgert sich. Das versuche ich dann irgendwann loszulassen.

In den Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen untereinander zeigt sich außerdem manchmal, dass ähnliche Aufträge vergleichsweise schlechter bezahlt wurden, Stichwort Gender-Pay-Gap.

ABER: Es gibt auch die Auftraggeber, die darauf Wert legen, gut zu bezahlen, sofern möglich, und coole Ideen und neue Ansätze in die Welt zu schicken. Das sind meine Verbündeten und ich hoffe, ihr Mut und ihre Weitsicht gehen nicht unter! Mit diesen Personen muss man meist auch nicht verhandeln, es ergibt sich ganz von allein ein guter Flow.

Künstlern* und Kreativen wird nachgesagt, dass sie Freigeister sind, aber auch Freigeister werden irgendwann älter. Hast du eine Rentenvorsorge bzw. denkst du darüber nach und, wenn ja, seit wann?

Nein, habe ich – außerhalb meiner Mitgliedschaft in der KSK – leider nicht. Ich weiß, dass es schrecklich ist, nicht weiter darüber nachzudenken, aber würde ich das tun, müsste ich meinen Job jetzt beenden und mir etwas wirtschaftlich Ertragreicheres suchen, bei dem ich Rücklagen bilden kann.

Wir stehen, vor allem in Berlin, vor einer neuen Krise in der Kunst- und Kulturbranche, den Kürzungen des Kulturetats für das Jahr 2025. Wie wirkt sich das auf deine Arbeitssituation aus?

Es ist einfach nur schrecklich, ich habe viele Bekannte, die geförderte Ateliers haben und absolut darauf angewiesen sind. Wir sind alle von den Kürzungen betroffen. Mein Atelier ist nicht betroffen, da wir es nicht mithilfe öffentlicher oder sonstiger Förderung laufen haben, aber sollte ich da raus müssen, besteht mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Möglichkeit mehr, dass ich bezahlbaren Arbeitsraum finden werde.

Wie sieht es mit einer der anderen großen Herausforderungen für die Kreativen, der Künstlichen Intelligenz, aus? Gibt es für dich da bereits Auswirkungen auf deine Arbeit, und wenn ja, wie zeigen sie sich?

Die Auftragslage ist noch instabiler geworden. Ich weiß allerdings nicht genau, inwiefern das auch auf die KI zurückzuführen ist, aber sie wird sicher ihren Teil dazu beitragen. Das Thema KI und sich daraus ergebende Rechtsfragen sind zudem nicht geklärt, was für meine Branche mehr als suboptimal ist.

Welche Art von Förderung erwartest du auch in Zukunft und bei einer erwartbar klammen Haushaltslage von der Politik und der Gesellschaft?

Ich denke, es ist wichtig, dass es subventionierte Atelierräume, also Orte gibt, an denen Kunst und Kreativität stattfinden kann, und diese gefördert werden. Es ist so: Es kann ohnehin nur eine kleine Prozentzahl von ihrer Kunst leben. Bei den angewandten Berufen wie Design ist das sicherlich mehr, aber auch sie schrappen teilweise am Existenzminimum herum. Das finde ich sehr schade, denn alle Welt redet von Design. Ich möchte nicht wie ein Hofnarr behandelt werden, der gnädigerweise eine Förderung oder eine Residency bekommen kann.

Denkst du über eine Weiterbildung nach, und wenn ja, welche?

Ja, ich möchte mich in der Animation weiterbilden und überlege auch, mir neben der Illustration noch ein weiteres Standbein zuzulegen, allerdings weiß ich noch nicht, was das sein könnte.

Wenn ja: Wie groß wird dein Kurswechsel ausfallen bzw. welche Veränderungen peilst du an?

Das kann ich noch nicht sagen, dazu muss ich erstmal die harte Realität an mich rankommen lassen: das, was ich gelernt habe und wofür ich brenne, zum Teil gehen zu lassen. Wozu ich derzeit (noch) nicht bereit bin.

Denkst du darüber nach, die Branche zu wechseln?

Sollte mich etwas ansprechen, bei dem ich Feuer fange, kann das gut sein.

Eine kleine Umfrage von uns zum Schluss:

kmkb – Netzwerk & Beratung ist eine Beratungsfirma für Künstler*, Medienschaffende und kreative Berufe und begleitet berufliche Veränderungen bzw. die Entscheidungsfindungsprozesse, die damit verbunden sind. Eine unserer Einzelberatungen heißt zum Beispiel „Kurswechsel 35+“ und richtet sich an professionelle Künstler* und Kreative mit einschlägiger Ausbildung, Berufserfahrung und nicht selten auch Führungskompetenz. Dabei spielen fast immer Faktoren wie Selbstpräsentation, Kommunikations- und Akquisestrategien, Netzwerkarbeit, Preisgestaltung, Digitalisierung, nachhaltige Arbeitsmodelle u. v. m. eine Rolle.

Welche Themen hältst du für die wichtigsten, wenn du auf deine Branche schaust, bzw. wobei braucht die Kultur- und Kreativbranche deiner Meinung nach besondere Unterstützung?

Wichtig ist, sich mehr zu vernetzen, über Schwierigkeiten, Preise und alles, was einem so im Weg steht, offen zu sprechen. Sich gegenseitig zu unterstützen, in Dialog zu treten.

Vielen Dank für dieses sehr interessante Interview und deine Impulse und alles Gute für deine Zukunft!

Danke auch.

Das Interview haben wir im Dezember 2024 geführt.

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