Zufriedenheit in der Postproduktion -Umfrage und Interview

Wie ist die Zufriedenheit in der Postproduktion? Ein Interview mit Schnittassistent Wolfgang Wolman.

28/02/2024

Ein Stimmungsbild zur Zufriedenheit in der Postproduktion. Schnittassistent Wolfgang Wolman stellt die Zwischenergebnisse seiner Umfrage vor.

Die Arbeitsbedingungen in der Film- und Fernsehbranche sind ein wichtiges und oft diskutiertes Thema. Während der Glanz des roten Teppichs und der Glamour der Filmwelt die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich ziehen, bleiben die oft widrigen Arbeitsbedingungen hinter den Kulissen meist unbeachtet. Doch immer mehr Akteure* werfen einen kritischen Blick auf die Realität hinter den Filmsets und Produktionsfirmen und fordern Verbesserungen. Abgesehen vom Engagement verschiedener Organisationen und Verbände, die sich für faire Bezahlung, angemessene Arbeitszeiten und den Schutz der Arbeitnehmerrechte einsetzen, werden auch Filmschaffende vor und hinter der Kamera aktiv. Einer von ihnen ist Wolfgang Wolman aus der Postproduktion, der mithilfe einer Umfrage ein aktuelles Stimmungsbild einfangen wollte. Die Umfrage war vom 15.12.2023 bis 31.01.2024 auf verschiedenen Kanälen geschaltet. 266 Akteure* aus der Postproduktion nahmen daran teil. Uns interessierten nicht nur die Ergebnisse, sondern auch Wolfgangs Antrieb, eine Umfrage zu konzipieren und auszuwerten.

Wolfgang Wolman ist 30 Jahre alt, in Süddeutschland geboren und aufgewachsen. Schon als Kind drehte er Videos. Nach seiner Schulzeit führte sein beruflicher Weg, ohne Umwege, über Praktika in die Film- und Fernsehwelt. Es folgte eine Ausbildung als Mediengestalter für Bild und Ton bei einer Berliner Produktionsfirma, die sich auf Musikvideos spezialisiert hat. Dort arbeitete er im Szenenbild, an der Kamera, aber vor allem als Beleuchter und im Schnitt.

Das Interview

kmkb:

„Wie verlief dein beruflicher Weg nach deiner Ausbildung weiter?“

Wolfgang:

„Ich habe auf Produktionsdauer bei verschiedenen Projekten mitgearbeitet. Serien, Kino oder Fernsehfilme, Abschlussfilme von Film-Unis aber auch Festanstellungen in der Postproduktion. Zum Beispiel war ich Schnittassistent für Marco Rottig und seinem Projekt „Stille Post“ (Regie: Florian Hoffmann). Die letzten Jahre arbeitete ich überwiegend als Schnittassistent. Auf selbstständiger Basis nahm ich auch Projekte als Videoeditor an. Darunter fällt auch der Mad Max Fanfilm, der dieses Frühjahr (2024) noch erscheinen soll. Hier war ich beim 5. Drehblock zuerst Kameraassistent und hatte erfahren, dass es noch keinen Filmeditor für das Projekt gab, da war ich natürlich scharf drauf und hatte die Montage dann auch übernehmen dürfen. Und dann war ich auch noch für die VFX-Koordination verantwortlich. Das Projekt hat mich über ein Jahr beschäftigt. Projekte nur halb mitzumachen, fühlt sich für mich immer ungut an. Gleichzeitig jedoch will ich auch lernen, nicht bei allem 120% zu geben. Das ist mir auf Dauer zu ungesund.“

kmkb:

„Warum hast du dich entschlossen, eine Umfrage im Rahmen deines Berufsfeldes zu initiieren?“

Wolfgang:

„Rückblickend, würde ich sagen, sind 2023 viele unschöne Dinge aufeinandergetroffen, aber ich wollte nicht tatenlos bleiben. Ich hatte kein Projekt in Aussicht und wartete noch auf die Gage meines letzten Projektes. Das Honorar für dieses Projekt habe ich bis heute nur zum Teil erhalten. Auch andere Erfahrungen waren ausschlaggebend. Ich war richtig unzufrieden. Die zähen Verhandlungen ohne Respekt und nicht auf Augenhöhe. Ich wollte einfach wissen, wie es meinen Kolleg:innen geht. Zuerst wollte ich nur ein paar Fragen konzipieren, aber die Umfrage ist dann schnell umfangreicher geworden als ursprünglich gedacht. Jetzt sitze ich selbstverschuldet als Ehrenamtlicher an der Auswertung und suche Kooperationen. Aber je intensiver ich mich mit dieser Arbeit beschäftige, umso mehr Details lerne ich über Statistik und Studien und umso wichtiger wird es mir, diese Umfrage auch korrekt auszuwerten, obwohl mir als Privatperson die zeitlichen Ressourcen und finanziellen Mittel fehlen. Was mich bewegt: Ich will ein Stimmungsbild der Filmschaffenden in der Postproduktion veranschaulichen. Für den Bereich der Montage, glaube ich, ist mir dies mit der Umfrage, definitiv gelungen. Aus anderen Abteilungen konnte ich zu wenige Teilnehmende finden, um aussagekräftige Ergebnisse präsentieren zu können“

kmkb:

„Wer hat dich dabei unterstützt?“

Wolfgang:

„Zu Beginn waren es Kolleg:innen, die sich mit den Fragen beschäftigt und gute Vorschläge und Ideen eingebracht haben. In meinem persönlichen Umfeld habe ich wissenschaftliche Mitarbeiter:innen gewinnen können, die mich hinsichtlich wissenschaftlicher Aspekte begleiten. Z.B. eine PhD Studentin von der Universität Ottawa (Kanada) oder eine Dozentin von der Universität in Lüneburg. Allerdings soll das nicht als offizielle Zusammenarbeit mit den Universitäten verstanden werden. Um die Umfrage zu schalten, also, eine Reichweite zu erzielen, unterstützten mich eine Reihe an Netzwerken. Gleich vorne mit dabei, Crew United. Der Geschäftsführer Oliver Zenglein hat zurecht erst vor ein paar Wochen einen Preis für sein Engagement erhalten. Aber auch der VDT, der BFS und das Magazin Digital Produktion halfen mir. Und natürlich die Teilnehmenden der Umfrage, die den Link in ihrem Netzwerk weitergeleitet haben.“

“60,6 % der Befragten gaben zwei Sterne oder weniger”

kmkb:

„Wie sehen die bisherigen Ergebnisse aus?“

Wolfgang:

„Es haben 266 Personen die Umfrage ausgefüllt, davon sind 220 vollständig, die ich somit auswerten kann. Darauf bin ich auch ein wenig stolz. Mein Ziel war es, mindestens 100 Personen zu erreichen. Dies habe ich, dank der Unterstützer:innen, weit übertroffen.

Die Berufserfahrung unter den Teilnehmenden ist ziemlich hoch. Über 80% (Frage 9) sind bereits über 5 Jahre im Beruf. D. h. die Antworten, die ich vorliegen habe, sind vorrangig von Filmschaffenden, die bereits viele Jahre ihren Beruf ausüben. Das ist relevant, da ihre langjährige Erfahrung eine solide Grundlage für die Daten bildet und somit die Zuverlässigkeit und Qualität der Informationen erhöht. Heißt aber gleichzeitig, dass die Ergebnisse vor allem die Gruppe der Berufserfahrenen abbilden.

Die Zufriedenheit mit den tarifvertraglichen 40 wöchentlichen Arbeitsstunden, inklusive der 10 vertraglich festgelegten unbezahlten Überstunden (Frage 24) hat ein klares Ergebnis: 60,6 % der Befragten gaben zwei Sterne oder weniger, wo fünf Sterne maximal zu vergeben waren. Die Unzufriedenheit ist also eher hoch. Auch der dritte Stern aus 5 bedeutet immer noch nicht, dass die Teilnehmenden wirklich zufrieden sind. Nehme ich die Anzahl der Antworten mit 3 von 5 Sternen dazu steigt das Ergebnis auf 89% Unzufriedenheit. Der so häufig von Produzent:innen erwähnte Fachkräftemangel ist also ein selbst gemachtes Problem. Es ist dringend an der Zeit, die Arbeitsweise in der Postproduktion zu verändern. Lange Nächte und Zeitstress für Abgaben dürfen nicht mehr dominieren und Zeitpläne müssen realistisch geplant werden.

Ähnlich sieht es bei der Frage 22 aus. 78,5 % der Befragten geben ein oder zwei Sterne, da sie sich im Tarifvertrag nicht repräsentiert und/oder berücksichtigt fühlen. Dieses Ergebnis appelliert an Verdi, ihre, doch so wichtige, Arbeit noch einmal zu überprüfen. Aber auch wir Filmschaffenden aus der Postproduktion sollten uns mehr bei Verdi engagieren.

Weitere spannende Ergebnisse werden noch näher zeigen, welche Zusammenhänge es zu welchen Themen sonst noch gibt. Aber die Auswertung davon wird noch dauern.

“Anstrengender ist das Durchhalten und Weitermachen”

kmkb:

„Was, glaubst du, können diese Ergebnisse bewirken?“

Wolfgang:

„Für mich bewirken die Ergebnisse viel. Wie das andere beurteilen und wie wichtig es ihnen ist, kann ich nicht sagen.

Jedenfalls könnte mit der Umfrage ein sensibleres Bewusstsein geschaffen werden. Der Zusammenhalt unter den Filmschaffenden in der Postproduktion könnte gestärkt werden. Generell werden wir sehr oft vergessen bzw. nicht ausreichend bedacht. Wir müssen uns mehr zusammenschließen, um gehört zu werden. Diesbezüglich gibt es schon sehr viele gute Orte und Ansätze, z.B. beim BFS und anderen Verbänden der Postproduktionsabteilungen. Sich zu vernetzen und auszutauschen ist dabei immer der erste Schritt. Anstrengender ist das Durchhalten und Weitermachen.

Ich sehe aber auch die Gewerkschaft Verdi in der Pflicht. Sie sollte die Bedingungen der Postproduktion in den Tarifverträgen aufgreifen und z.B. gesondert verhandeln. Zudem könnten sie offener und transparenter kommunizieren, welche Berufsstände in den Tarifverträgen überhaupt vertreten werden, denn in den Verträgen steht nur sehr wenig, was die Filmschaffenden der Postproduktion explizit betrifft.

Das ist das eine. Das andere liegt an der Außenwirkung und am Auftreten von den Filmschaffenden selbst. Wir müssen uns sichtbar machen und über das Gespräch mit der Produktion und den Produzent:innen zu Lösungen gelangen. Wir sollten unsere Arbeitsabläufe transparenter machen, denn wir werden mit dem Arbeitsalltag am Set gleichgesetzt, der komplett von unseren Widrigkeiten und Herausforderungen abweicht. Viele Regelungen die am Set gelten betreffen uns zwar, aber deren Gegebenheiten sind andere. Auch Produzent:innen sollten ein offenes Ohr für uns haben, uns zuhören und mit uns sprechen. Nur so können wir gemeinsam das Berufsbild wieder attraktiv für den Nachwuchs machen. Denn die Branche leidet, wie alle mittlerweile wissen, an einem starken Fachkräftemangel. Ein Grund ist sicherlich die Überlastung im Arbeitsalltag. Ich erhoffe mir, durch die Ergebnisse der Umfrage bei den Filmschaffenden noch mehr Interesse für das Thema zu wecken. Und wenn sich daraus eine kleine Initiative formt, z. B. eine Arbeitsgruppe beim BFS oder im besten Fall auch als Zusammenarbeit unter den Verbänden, habe ich mein Ziel erreicht und die Veränderung hat vielleicht eine Chance.

kmkb:

„Wie, glaubst du, verändert sich in den nächsten Jahren dein Berufsfeld der Postproduktion?“

Wolfgang:

„Ich werde nicht lange um meinen Beruf und die Tätigkeit als Filmeditor oder Schnittassistenz kämpfen. Gleich jetzt aufgeben fühlt sich aber noch nicht richtig an. Meine Leidenschaft für das Filmemachen ist dafür groß genug und ich will sie mir auch erhalten und suche weiterhin nach passenden Projekten mit einem offenen Umgang auf Augenhöhe. Allerdings gibt es die leider nicht so häufig und sind gleichzeitig sehr beliebt. Denn das ständige Gehetztsein und sich stressen, macht ja nicht nur mich krank. Das ist zum einen mein subjektives Empfinden, aber ich will noch mal in aller Deutlichkeit sagen, dass es ein strukturelles Problem ist, welches verändert werden kann. Die Produzent:innen und Produktion müssen es nur wollen und umsetzen.

Was auch auf der Hand liegt, ist der fortschreitende Einsatz von KI. Hier gibt es viele ängstliche Perspektiven in der Branche, die davon ausgehen, dass die Zahl der benötigten Fachkräfte durch die KI ersetzt wird. Aber ich möchte betonen, dass der Einsatz von KI positiv wirken könnte, denn KI kann Ton anlegen oder Clips sortieren, Line by Lines schneiden etc., also, Tätigkeiten übernehmen, die ohnehin nicht viel Wertschätzung erfahren.

Ganz allgemein betrachtet ist die Anzahl der Teilnehmenden Schnittassistent:innen im Vergleich zu den Filmeditor:innen aus meiner Umfrage weniger als ein Viertel. Das würde bedeuten, dass nur bei jedem 6. Filmprojekt maximal eine Assistenz engagiert wird. Und bis heute gibt es fast keine relevanten KI-Tools. Sprich, auch unabhängig von der KI wünsche ich mir, dass die Schnittassistenzen in Zukunft wieder enger mit den Editor:innen zusammenarbeiten. Direktes zuarbeiten, Szenen vorschneiden und mehr inhaltliche Mitarbeit. Wer die organisatorischen Aufgaben der Schnittassistenz mehr bevorzugt, kann dies als Post Supervisor oder als Post Koordinator:in weiterhin übernehmen und ausführen. Tatsächlich sehe ich aktuell Aufgaben im Berufsbild der Schnittassistenz, die nach meinem Verständnis über die Verantwortung einer Assistenz hinausgehen. Allerdings spiegelt sich die „mehr Verantwortung“ nicht in der Bezahlung wider, was sehr bedauerlich ist. Abschließend möchte ich aber betonen, dass ich positiv in die Zukunft blicke. Wir Menschen müssen „einfach zusammenhalten. Im Kleinen, im Beruf und im großen politischen Weltspektakel.“

“Vielen Dank.

kmkb-Redaktion

Näheres zu Wolfgang Wolman:

wolfgang-wolman.de

Wolfgang Wolman unterstützt Filmmakers for Future

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