kmkb - Filmfest München 2023 - Unified Filmmakers Panel im Amerikahaus

Unified Filmmakers Panel auf dem Filmfest München: Die Digitalisierung als Erfahrung

17/07/2023

Eine Rückschau auf das Panel der Unified Filmmakers “Ins Netz gegangen: Viele Wege führen zum Film” im Rahmen des Filmfest München 2023

kmkb war am 30. Juni als Sponsor des Panels vor Ort. Wir erhielten einen wertvollen Einblick in die Mechanismen des Filmmarktes, der auch nur eine Momentaufnahme, einer sich im Wandel befindlichen Branche ist.

Die Digitalisierung zeigt ihre Auswirkungen mittlerweile in jedem Bereich der Filmbranche. Das Bild des Filmemachers hat sich verändert. Die Diversifizierung des Film- und Video-Marktes brachte neue Berufe, wie z. B. die des Content-Creators und des Influencers hervor. Trennlinien zwischen den Berufsfeldern verschwimmen. Ein hohes Maß an Kreativität ist erforderlich, um mit unterschiedlichen Formaten die Nutzungsgewohnheiten der jüngeren Zielgruppen zu erreichen. Welche Rolle die Digitalisierung für die Teilnehmer des Panels „Ins Netz gegangen: Viele Wege führen zum Film“ spielt, wollte Moderatorin Aline von Drateln auf ihre spritzige Art herausfinden. Vom beruflichen Werdegang ausgehend spann sie den Bogen, von ersten YouTube-Erfolgen der Teilnehmenden – die einzige Frau Shreya Patel (Aktivistin und Filmemacherin) musste kurzfristig abreisen – bis hin zu deren Kinoproduktionen. Ca. 60 Besucher füllten den Saal im Amerikahaus am Freitag, den 30. Juni. Nur dürftig, wenn man bedenkt, dass die Digitalisierung fast jeden Bereich der Filmwirtschaft betrifft. Prof. Henning Patzner (Professor für Werbefilm, HFF München), Andreas Briese (YouTube-Chef Deutschland/Europa), Felix Starck (Filmemacher und Produzent, Koryphäen Film) und Jonas Ems (Filmemacher, YouTuber, Content Creator, Producer) standen Rede und Antwort.

Von frühen Erfolgen und kreativen Ansprüchen – Eine Frage der Definition?

Da hat Felix Starck, dessen erste Schritte nach einem dualen Studium zum Marketing Manager bei Mercedes-Benz, auf einer Fahrradtour rund um die Welt begannen und auf YouTube zu verfolgen waren, viel zu erzählen.

Auf dieser Reise, die er notgedrungen alleine vornahm – sein Reisepartner sprang ab – wurde die Kamera zum Reisebegleiter. Der Trailer seiner Reise-Doku “Pedal the World” ging schnell viral, auch international (nicht mehr auf YouTube, aber auf Netflix zu finden). Den persönlichen Erfolg beschreibt er als unerwartet. Die rohe und unfertige Anmutung persönlicher filmischer Berichte und Erzählungen scheint von der Zuschauerschaft akzeptiert und als authentisch empfunden zu werden. 

Neben dem Verkauf von Downloads und DVDs seines Reiseberichts in über 90 Länder, konnte er die Doku als Film im Absatzmarkt Kino positionieren. Und das auf eine unkonventionelle Art, denn die etablierten Verleiher sagten ab. Ein Kinobesitzer aus Kiel brachte ihn darauf, nachdem das Kino drei Wochen lang ausgebucht war, es trotzdem deutschlandweit zu probieren. Die Kinos ließen sich darauf ein: Unter 75 % Ticketbuchungen liefe der Film nur eine Woche, und alle Einnahmen gingen an das Kino. Oberhalb dieser Schwelle sollte der Film mindestens eine Woche laufen. Und das tat er dann mit Erfolg. Zudem sollte er als einer der ersten deutschen Produktionen bei Netflix laufen.

Im Weiteren ging Starck noch auf seine Folgeprojekte (u.a. „Expedition Happiness“, eine Busreise von Nord- bis Südamerika) ein, die kommerziell erfolgreich liefen, die er aber selbst, wie sein Reisetagebuch, qualitativ als nicht sehr hochwertig produziert einschätzte. Mit Blick auf seinen finanziellen Erfolg verbindet er diesen ganz klar mit Werbung auf Social Media, als bei Facebook Ads der Marktplatz noch nicht so gesättigt war.

Formate und Ihrer Nutzer: Erfolg im Netz, verspricht nicht automatisch einen Kino-Erfolg

Professor Patzner von der HFF München, der im Lauf des Abends noch Kritik ob seiner Definition von “Kreativität” einstecken musste, kommentierte die erfinderischen Marketing-Strategien von Felix Starck, mit “… mein erster Impuls ist, dass ich das super finde”.

Weiter ging es mit der ernüchternden Einschätzung Felix Starcks, dass ihm seine Begeisterung für das Produzieren von Filmen in Deutschland, er gründete nach seinen Kassenerfolgen eine eigene Produktionsfirma “Koryphäen Film”, schnell genommen wurde. Eine Filmproduktion, die finanziell nicht so erfolgreich war („Es ist zu Deinem Besten“, u.a. mit Heiner Lauterbach, Jürgen Vogel) möchte er als gescheitert betrachten (ca. 2500 Ticketverkäufe), und sei somit “… nicht in der Position, der Gruppe des Saales Tipps zu geben“ (er nahm von Berlin aus an dem Panel teil). 

Jonas Ems (26), der mit 12 Jahren sein erstes YouTube-Video hochlud, auf seinen Erfolg angesprochen, verband diesen mit seiner Konsistenz und seiner frühen Teilnahme an der Plattform, die damals noch einen ungesättigten Marktplatz bot. Influencer, Content Creator oder Filmemacher – als jemand, der alles schon einmal ausprobiert hat, ließ er sich nicht festlegen. Seine schon früh Narrativ-orientiert produzierten YouTube-Videos (zwei Kameras, Greenscreen etc.) seien Dank des Funktionsumfangs von YouTube entstanden, erzählte er im Rückblick enthusiastisch: “Als Content Creator kannst Du fast alles, was Du machen möchtest”.

Nun macht er Langfilme. Fans von YouTube ins Kino zu bringen ist aber nicht leicht: “Der Transfer der jungen Zielgruppe gelingt mal mehr, mal weniger gut. Wenn du im digitalen Raum vernetzt, bzw. Zuschauer von YouTube oder TikTok auf die Mediatheken, oder Streamer bringen willst, gelingt das einfach, dank weniger Links auf dem Handy. Wenn Du sie ins echte Leben bzw. ins Kino bringen willst, ist das schon eine riesen Herausforderung. … Ein großes Stammpublikum bei den Produktionen hat geholfen um es auf verschiedene Streaming Anbieter zu verlinken.”

2019 gelang ihm mit “Krass Klassenfahrt“, die als Doku-Soap und Comedy-Serie angelegt war (eine Persiflage auf das RTL Nachmittagsprogramm, produziert von Moonvibe GmbH, Geschäftsführer sind Jonas Ems und Jonas Wuttke) nach „Krass Schule – Die jungen Lehrer“ mit 13 produzierten Staffeln ein großer Erfolg. Daraufhin wurde 2021 ein Kinofilm mit Leonine Studios von ihm (Story-Entwicklung) produziert. Im Netz erfolgreich, im Kino weniger. Fazit war, dass das, was online funktioniert, nicht notwendigerweise als Kino-Format funktioniert. Hier sind andere Marketingkonzepte notwendig, so Ems’ Schlussfolgerung, Synergien sind hier möglich.

Andreas Briese sieht die Definition des Filmemachers als entscheidend geändert an. Plattformen wie YouTube hätten dazu beigetragen. So sind neue Distributionswege für existierende Filme entstanden. Dass YouTube Geld mit Kreatoren teilt, hat dazu mit beigetragen. Auch hätten einige der heutigen erfolgreichen Filmemacher bei YouTube angefangen. Sie hätten dort ihre Stimme gefunden und wären dann darüber hinaus fähig, andere Formate zu bedienen. Substanziell habe YouTube Einfluss auf die heutige Medienlandschaft.

Die geänderten Sehgewohnheiten sind ein Nebeneffekt der geänderten Medienlandschaft, merkte Von Drateln an. Man sei geneigt, nach wenigen Momenten weiter zu zappen. Auch der Kino-Konsum hat nach Corona nicht das vormalige Volumen erreicht. Ein Resultat geänderter Mediennutzung?

Der Video-Konsum wächst laut Briese weiter. Die Situationen, in denen Videos konsumiert werden, haben sich geändert, und somit auch die Formate, das Narrativ und der kreative Ansatz. Im Bus werden weniger 90-Minüter angeschaut, eher 2-Minüter und Shortform-Videos sind hier gefragt. Interessanterweise findet zwar die meiste Nutzung auf mobilen Endgeräten statt, gegenläufig dazu steigt die Nutzungsdauer bei den Long-Form-Formaten auf smarten TV-Geräten. Dort sei der größte Wachstumsmarkt zu verzeichnen. Situationsbezogener Konsum und die dazu passenden Formate seien dafür seiner Ansicht nach verantwortlich. So konnten “7 vs Wild” oder “Arctic Warrior” Ihr Publikum finden.

Erbringen Influencer und YouTuber kreative Leistungen? Alles eine Frage der Schöpfungshöhe?

Kontrovers wurde an diesem Abend noch Professor Patzners vordergründig  pauschale Einlassung zu Influencern und YouTubern diskutiert. Zu plump und einfach seien seiner Ansicht nach deren Videos produziert, kein künstlerischer Anspruch sei dabei zu erkennen: “Das Meiste sei nicht inspirativ”. Sie hätten mit ihren Filmen ihre Berechtigung, jedoch finde er es schade, dass so etwas “creative” genannt wird. Er sei von Beruf “Creative Director” und müsse zum Teil 6 Wochen über eine Kampagnen-Idee, über Strategie und Menschen nachdenken. Wie wird “kreativ” definiert, stellte daraufhin Andreas Briese die Frage.

So einfach wie Professor Patzner das Thema eröffnete, so differenziert, auch mit Raum für die feinen Töne wurde dann gepflegt weiter diskutiert. Auch das Publikum hatte Fragen sehr praktischer Natur. An dieser Stelle sei gesagt, dass es sich lohnt, den ganzen Filmbeitrag des Panels, der von Unified Filmmakers im Rahmen des Filmfests veranstaltet wurde, anzuschauen.

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