Wie steht es um Intimacy Coordination?
21/04/2024
Intimacy Coordination – Reifezeugnis für ein junges Berufsfeld in der Film- und Fernsehbranche
Wir hatten uns bereits vor zwei Jahren, im Juli 2022, mit einem relativ neuen und da schon längst überfälligen Berufsfeld in der Film- und Fernsehbranche beschäftigt und in einem Beitrag auf unserer Website das Thema „Intimacy Coordination“, zu Deutsch „Intimitätskoordination“ beleuchtet. Ein unverzichtbarer und zum Glück ein immer mehr -, auch in Deutschland an Bedeutung gewinnender Bereich, durch den die Darstellung von Intimität in Film-, Fernseh- und Theaterszenen einen besonderen Schutz erfahren soll und auch erfährt.
Wie steht es inzwischen, knapp zwei Jahre später um die „gelebte“ Sensibilität für die Darstellung von intimen Szenen im Film, Fernsehen und Theater weltweit, aber besonders auch bei uns in Deutschland? Welche Rolle spielt bei Regisseuren*, Choreografen*, Produzenten*, den Schauspielern* selbst und anderen wichtigen Beteiligten die Sicherstellung, dass die Darstellung von intimen Szenen respektvoll, geschützt und vor allem professionell erfolgt?
Wie breit gefasst sind die Ausbildungswege zum Intimitätskoordinator*, wo kann man sich ausbilden lassen und wer bietet seine Arbeit als geschulter* Intimitätskoordinator* an?
Inhalte
- Intimacy Coordination – Reifezeugnis für ein junges Berufsfeld in der Film- und Fernsehbranche
- Nastassja Kinski erhebt Vorwürfe wegen Nacktszenen als Minderjährige
- Nichts darf dem Zufall überlassen sein
- Wann ist es ratsam, Intimacy Coordinator hinzuzuziehen?
- Intimacy Coordination und #MeToo
- Status quo Intimacy Coordination in Deutschland
- Ausbildungsmöglichkeiten Intimacy Coordination in Deutschland
- Florian Federl vom BIK beantwortet die Frage nach einer richtigen Ausbildungsmöglichkeit zum Intimacy Coordinator
- Intimacy Practitioners‘ Guild, IPG
- Julia Effertz
- Katja Weitzenböck
- Teresa Hager
- Paulita Pappel
- Beiträge zum Thema Intimacy Coordination
Nastassja Kinski erhebt Vorwürfe wegen Nacktszenen als Minderjährige
Erneut an dieses Thema gestoßen wurden wir durch eine aktuelle Diskussion um die Forderung der bekannten, heute 63-jährigen Schauspielerin Nastassja Kinski, die legendäre und meistwiederholte Tatort-Folge „Reifezeugnis“ aus dem Jahr 1977 nicht mehr auszustrahlen. In diesem Film war sie als 15-jähriges Mädchen in der Hauptrolle der 17-jährigen Schülerin Sina Wolf als Geliebte eines verheirateten Lehrers nackt zu sehen. In einem Interview erhob sie nun Vorwürfe gegen die damals Verantwortlichen und bat um eine öffentliche Entschuldigung. Sie erklärte, sie habe sich bei diesen Szenen nicht wohlgefühlt, war am Set ohne elterliche Begleitung, habe „es“ zwar als ihren Job als Schauspielerin gesehen, abends im Hotelzimmer aber geweint. Warum man es nicht anders gedreht habe, fragt sie sich heute. „Derselbe Effekt, dieselbe Geschichte, Lehrer, Schüler, das Drama mit dem Jungen, aber anders gedreht, sodass man nicht alles sieht“, fügte sie hinzu.
Auch die Regisseurin Julia von Heinz bemerkte, „Reifezeugnis“ betreffend, schon 2019 gegenüber „Zeit Online“, dass man die minderjährige Nastassja Kinski beispielsweise mit freiem Oberkörper im Wohnzimmer telefonieren lässt, ohne dass es eine inhaltliche Notwendigkeit habe.
Heutzutage bräuchte man ein Vorgespräch, eine Szenenvereinbarung und eine Choreografie für all das, was gefilmt werden soll, damit es einvernehmlich ablaufen kann.
Was Nastassja Kinski beim Dreh erleben musste, ist natürlich kein Einzelfall. Im Gegenteil. Nur eins von unendlich vielen Beispielen, wie der Umgang mit Intimität und Nacktheit seit Jahrzehnten in diesem Bereich gehandhabt wird. Und, wie gesagt, der Auslöser für eine erneute Beschäftigung mit diesem Thema unsererseits, bei der wir schauen möchten, wie es genau genommen um das „Reifezeugnis“ des jungen Berufsfeldes bestellt ist. Die Kontroverse um u.a. den Fall Nastassja Kinski unterstreicht die Wichtigkeit eines einfühlsamen Umgangs mit sensiblen Szenen am Set und zeigt die Relevanz gut geschulter Intimacy Coordinator. Die Branche erkennt zunehmend die Notwendigkeit, Schauspieler* in solch intimen Momenten zu schützen und gleichzeitig eine professionelle Arbeitsumgebung sicherzustellen.
Nichts darf dem Zufall überlassen sein
Intimität am Set und auf der Bühne muss auf Regeln und Strukturen basieren.
Die Aufgabe der Intimacy Coordination geht über das bloße Choreografieren von inszenierten Sexszenen hinaus. Sie gewährleistet eine kontinuierliche transparente Kommunikation und Einvernehmlichkeit zwischen den Beteiligten, angefangen beim Drehbuch über das Casting bis zum eigentlichen Dreh und dem Nachgespräch. Die Choreografie selbst, als abgestimmter szenischer Ablauf, unterstützt die Umsetzung der künstlerischen Vision. Nichts bleibt dem Zufall überlassen.
Zusätzlich kann die Intimacy Coordination auch in Produktionen eingesetzt werden, die mit deutlichen Hierarchien, der Arbeit mit minderjährigen Personen, speziellen Berufsgruppen oder Laien zu tun haben. Eine detailliertere Liste mit Situationen, in denen es wichtig ist, Intimacy Coordinator hinzuzuziehen, findet sich hier unten.
Intimacy Coordinator helfen also dabei, mögliche Missverständnisse und Unannehmlichkeiten schon im Vorfeld zu verhindern, indem sie klare Kommunikationswege zwischen allen Beteiligten schaffen. So müssen Szenen entstehen, die professionell geplant wurden, die choreografisch gearbeitet und schützend vorbereitet sind, und bei denen die Darsteller* klar und im Rahmen ihrer individuellen Grenzen und im Sinne der Geschichte und der Figur arbeiten.
Wann ist es ratsam, Intimacy Coordinator hinzuzuziehen?
Wenn von Intimität im Film oder Fernsehen die Rede ist, geht es nicht nur um Nacktszenen.
Der BIK, Bundesverband für Intimitätskoordination und Kampfchoreografie (siehe weiter unten) stellt eine Checkliste zur Verfügung – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, bei welchen Inhalten laut des Verbandes frühzeitig Intimitätskoordinatoren* hinzugezogen werden sollten:
Hier kann man sich die Checkliste (Stand März 2023) herunterladen: b-ik.art/infomaterial
Intimacy Coordination und #MeToo
Vor allem die #MeToo-Bewegung (eine 2006 gestartete Kampagne, die afroamerikanische Frauen untereinander helfen sollte, offener und empathischer beim Umgang mit Erfahrungen von sexueller Belästigung und Missbrauch zu werden) hat verdeutlicht, wie wichtig es ist, einen sicheren und respektvollen Arbeitsplatz zu schaffen, insbesondere in Branchen wie der Film- und Fernsehindustrie, in denen Machtungleichgewichte und Intimität eine große Rolle spielen. Intimacy Coordinator spielen in diesem Kontext eine entscheidende Rolle, indem sie dazu beitragen, ein Bewusstsein für Einwilligung, Grenzsetzung und Respekt zu schaffen.
Die Aufgaben eines Intimacy Coordinators umfassen nicht nur die Erstellung von Intimitätsrichtlinien für die Produktion, die Durchführung von Proben und Choreografien für intime Szenen, das Schaffen einer sicheren und respektvollen Arbeitsumgebung, sondern auch die Kommunikation mit Regisseuren*, Schauspielern* und anderen Teammitgliedern. Sie sind auch dafür verantwortlich, die emotionalen Bedürfnisse und Grenzen der Schauspieler* zu berücksichtigen und, wenn nötig, Maßnahmen zu ergreifen, um deren Wohlbefinden zu gewährleisten.
In Deutschland ist die Nachfrage nach Intimacy Coordination in den letzten Jahren gestiegen, da die Film-, Fernseh- und Theaterbranche ein wachsendes Bewusstsein für die Bedeutung von Einwilligung, Grenzsetzung und körperlicher Sicherheit bei der Darstellung von intimen Szenen entwickelt hat.
Positiv zu bemerken: bereits seit 2021 gibt es einen Bundesverband für Intimitätskoordination. Dieser entstand aus einer Fusion des Netzwerks Intimitätskoordination mit dem bereits 2019 gegründeten Berufsverband Kampfchoreografie e.V. und läuft seitdem unter dem Namen Berufsverband Intimitätskoordination und Kampfchoreografie, kurz BIK. Der Sitz des Verbandes ist in München.
Hauptziel oder Hauptaufgabe des Verbandes ist es, die Branchen Kampfchoreografie und Intimitätskoordination dauerhaft sichtbar zu machen.
Laut BIK „müssen Kampfchoreografie und Intimitätskoordination als eigenständige Kunstformen wahr- und in Anspruch genommen werden. Die bislang gültigen Grauzonen des Produktionsalltags sind unsicher und häufig ästhetisch fragwürdig.“
Dem möchten sie durch die Vermittlung von Wissen entgegenwirken.
Weiter muss es laut BIK zum Produktionsalltag dazu gehören, „für die Darstellung szenischer Gewalt und Intimität ausgebildete Expert*innen zu buchen. Nur so kann die Sicherheit der Akteur*innen, der Erfolg der Produktion und die Weiterentwicklung und Forschung in und an den Kunstformen gewährleistet werden.“
Der BIK veranstaltet für Mitglieder regelmäßig Virtuelle Stammtische, einen Virtuellen Mitgliederaustausch und praktischen Playground.
Als offene Veranstaltungen bietet er Online-Workshops, Seminare, Konferenzen und vieles mehr an.
Gemeinsam wachsen!
Erst im Februar 2024 fand eine Internationale Konferenz in Berlin statt. Das Thema lautete: „Gemeinsam wachsen!“ Eine einwöchige Veranstaltung mit Programmen von über 40 Intimitätsexperten* und 15 IC-Organisationen, um Wissen auszutauschen und eine Community aufzubauen.
Die Konferenz fand in der Woche des Internationalen Filmfestivals BERLINALE vom 13. bis 20. Februar statt und bot Intimitätspraktikern* und Branchenakteuren* eine Gelegenheit zum Lernen, zur Diskussion und zum Networking.
2024 wird es weitere Workshoptage für IC (IK)-Anfänger und Fortgeschrittene, ein Community-Treffen, inspirierende Networking-Events und vieles mehr geben. Mehr Informationen dazu finden Sie auf https://b-ik.art
Ganz zentral ist der BIK ein Netzwerk für Profis und Nachwuchskünstler* und stellt Unterstützung und Ressourcen für Intimitätskoordinatoren*und Kampfchoreografen* bereit. „Wir verknüpfen unsere Mitglieder mit internationalen und nationalen Branchenverbänden und treten für die Bedeutung und Sichtbarkeit dieser Rollen in der Kreativbranche ein. Unsere Mitglieder werden nach hohen Standards aufgenommen, tauschen sich untereinander aus und bilden sich ständig weiter“, erklärt der Verband.
Ausbildungsmöglichkeiten Intimacy Coordination in Deutschland
Da Intimacy Coordination ein relativ neuer Berufszweig ist, sind die Ausbildungsmöglichkeiten bei uns in Deutschland noch begrenzt. Zudem ist die Ausbildung zum Intimacy Coordinator in Deutschland noch nicht standardisiert.
So können sich die Ausbildungsmöglichkeiten je nach Region und Institution unterscheiden. Es kann daher sinnvoll sein, sich durch Recherche und Networking über Möglichkeiten zur Ausbildung in diesem Bereich zu informieren und gegebenenfalls individuelle Weiterbildungswege zu wählen.
Hier sind mögliche (allgemeine) Wege, um sich als Intimacy Coordinator in Deutschland auszubilden, bzw., gute Grundlagen für eine Ausbildung zu schaffen:
- Fortbildungen und Workshops: Es gibt vereinzelt Fortbildungen und Workshops, die sich mit dem Thema Intimacy Coordination befassen und praktische Fähigkeiten vermitteln, wie etwa die sichere Inszenierung und Choreografie von intimen Szenen. Diese Angebote können von professionellen Coaches oder Choreografen* geleitet werden und ermöglichen, erste Kenntnisse in diesem Bereich zu sammeln. Besonders auch von bereits ausgebildeten, professionellen Intimacy Coordinator.
- Studium der Schauspielkunst, Regie oder Theaterwissenschaft: Ein Studium im Bereich der Schauspielkunst, Regie oder Theaterwissenschaft kann eine erste solide Grundlage für eine Tätigkeit als Intimacy Coordinator bieten. Durch das Studium werden Kenntnisse über die Darstellung von Emotionen, das Verständnis von Bühnentechniken und die Arbeit in der Theater- und Filmbranche vermittelt, die für die Arbeit als Intimacy Coordinator von Nutzen sein können. Manche Intimacy Coordinator bieten eigene Workshops direkt in Schauspielschulen an.
- Weiterbildung im Bereich Sexualität, Psychologie oder Trauma-Informierte Arbeit:
Da die Arbeit als Intimacy Coordinator auch ein tiefes Verständnis von Themen wie Einwilligung, psychische Gesundheit und Trauma erfordert, kann eine Weiterbildung in Bereichen wie Sexualität, Psychologie oder Trauma-Informierte Arbeit von Vorteil sein. Solche Weiterbildungen können dabei helfen, das nötige Fachwissen und die Sensibilität für die Bedürfnisse der Schauspielerinnen und Schauspieler zu entwickeln.
Ein Ort in Deutschland für eine Weiterbildung in dem Bereich ist der Culture Change Hub.
Hier wurde zuletzt im Jahr 2023 eine mehrmonatige Weiterbildung angeboten. Voraussetzungen waren eine langjährige Berufserfahrung und zusätzlich einschlägige Erfahrungen in Körperarbeit; z.B. in Contact Improvisation, Tanz, Kampfkunst oder ein ähnliches Körpertraining, das das Körperbewusstsein sowie die Umsetzung der Erzählung in Bewegungssprache schult. Aktuell ist jedoch keine weitere Ausbildungseinheit auf deren Website zu finden (Stand April 2024).
Eine weitere Empfehlung ist, sich direkt mit dem Bundesverband für Intimitätskoordination und Kampfchoreografie, dem BIK in Verbindung zu setzen. Siehe oben.
Hier sind bereits ausgebildete, aktive Intimitätskoordinatoren* als Mitglieder gelistet, die sowohl als Intimitätskoordinatoren* im deutschsprachigen Raum tätig sind, als auch selbst ausbilden, meist in Form von Workshops. Die im Verband als „Profi“ bezeichneten erscheinen dort mit eigener Vita und können von potenziellen Arbeitgebern* direkt angeschrieben werden.
Stand 2023 hat der BIK (laut Website) sechs professionell ausgebildete Vollmitglieder, die über eine spezifische Ausbildung und Erfahrung am Set und auf der Bühne verfügen und als IK gelistet sind: Paula Alamillo, Florian Federl und Julia Effertz in Deutschland und Cornelia Dworak in Österreich. Zudem Kasia Szustow oder Marit Ösberg, die spezialisiert auf die Darstellung und Choreografie von Intimität und Nacktheit, die Repräsentation von LGBTQI+ Identitäten, Sexualität, Sexarbeit und marginalisierte Sexualitäten ist.
Ihre Ausbildungen haben sie gesponsert durch Netflix oder bei international renommierten Intimacy Coordinator absolviert. Sie arbeiten an nationalen und internationalen Sets und verfügen alle über langjährige Erfahrung in anderen Bereichen, wie zum Beispiel Kampfchoreografie, Produktion und Schauspiel.
Florian Federl vom BIK beantwortet die Frage nach einer richtigen Ausbildungsmöglichkeit zum Intimacy Coordinator
In einem Interview vom Mai 2023 mit Franzy Deutscher und Florian Federl vom Berufsverband für Intimitätskoordination und Kampfchoreografie über eine neue Herangehensweise an intime Szenen antwortet Florian Federl auf die Frage, ob es denn schon eine Möglichkeit gäbe, eine richtige Ausbildung in Intimacy Coordination zu machen.
Hier das ganze, sehr aufschlussreiche Interview von Thomas Klein zum Thema Intimacy Coordination: https://www.filmdienst.de/artikel/60577/intimitaetskoordination-bei-filmdrehs-interview
Eine allgemeine Auflistung über mögliche Inhalte einer Ausbildung zum* Intimitätskoordinator* finden Sie in unserem bereits erwähnten ersten Beitrag Intimacy Coordinator – ein neues Berufsfeld in der Film- und Fernsehbranche:
Einige professionelle Intimacy Coordinator haben wir bereits im Abschnitt „Ausbildungsmöglichkeiten Intimacy Coordination in Deutschland“ genannt, da sie sowohl als Intimacy Coordinator tätig sind, als auch Ausbildungen / (Intensiv-) Workshops anbieten.
Weitere Experten* finden sich in der Organisation von Intimitätsexperten in der Film-, Fernseh- und darstellenden Kunstbranche in Europa, der Intimacy Practitioners‘ Guild, IPG.
Die IPG wurde im Sommer 2020 von Vanessa Coffey, Malin B. Erikson, Kate Lush und Pia Rickman mit dem Ziel gegründet, einen Informations- und Ideenaustausch zu ermöglichen, die Leistungen der Mitglieder zu würdigen und einwilligungsbasierte Arbeitspraktiken innerhalb der Branche zu standardisieren. Laut eigenen Worten setzt sie sich dafür ein, sicherzustellen, dass in der Medien-, Kunst- und Unterhaltungsbranche in Europa entsprechend qualifizierte „Intimacy Practitioners“ arbeiten. Die Mitglieder haben sich zusammengeschlossen, um ihre gemeinsamen Interessen zu fördern und einen anerkannten Standard an Professionalität in der Branche zu etablieren, die Sicherheit bei der Arbeit mit intimen Inhalten im künstlerischen Kontext, den Ausdruck von Intimität in den Medien und den Status des Berufs zu verbessern.
Um sich als Mitglied der IPG bezeichnen zu dürfen, durchlaufen die Mitglieder eine strenge Prüfung. Die Mindeststandards, die IPG-Mitglieder erfüllen, basieren auf den etablierten internationalen Standards für Intimitätspraktizierende, die sich weiterentwickeln und für die Region angemessen sind.
Hier finden sich, sowohl für den Bereich Bühne als auch für Leinwand, vorwiegend weibliche Intimitätskoordinatorinnen aus unterschiedlichen Ländern wie Deutschland, Belgien, Dänemark, Schottland, United Kingdom, Niederlande, Schweden/Indien, Spanien, Schweden, Polen, Schweiz, Finnland, Israel oder Österreich. Sie alle arbeiten als von der Organisation unabhängige Praktiker* und können entsprechend direkt kontaktiert werden. Über die Seite der IPG: https://theintimacyguild.com/current-members/
Unter anderem ist beim IPG die deutsche Intimitätskoordinatorin Julia Effertz zu finden: Julia Effertz, die auch Mitglied in zwei weiteren Berufsverbänden für Intimitätskoordination ist: sowohl im BIK als auch im Verband der Intimitätsfachleute. Die erste Agentur der Welt, die sich auf die Vertretung von Intimitätsprofis für Film und Fernsehen spezialisiert hat. Julia Effertz‘ erstes Buch über Intimität, “Mut zur Verletzlichkeit”, erscheint im April 2024 im EMF-Verlag.
Eine weitere renommierte deutsche Intimitätskoordinatorin ist die Schauspielerin Katja Weitzenböck, die 2022 die erste Weiterbildung zum Intimacy Coordinator in Deutschland am Culture Change Hub von Barbara Rohm in Kollaboration mit TIE (Theatrical Intimacy Coordination) erfolgreich beendet hat. Neben der ausgedehnten Weiterbildung zum Intimacy Coordinator und kontinuierlicher Fortbildung stützt sich ihre Expertise auch auf ihre langjährige Erfahrung als Schauspielerin an internationalen Filmsets und Theaterbühnen. Sie ist beheimatet in beiden Bereichen, vertraut mit den Abläufen und kennt das Innenleben der Schauspielenden. Katja Weitzenböck – Intimacy Coordinator Berlin
Hier ein interessantes Interview, in dem sie mit dem „Stern“ über den neuen Job der Intimacy Coordination und, wie sich Sexszenen im Film dadurch verbessern spricht: Neues Berufsfeld “Intimitätskoordinator”: So sorgt man für sichere Sexszenen | STERN.de
Die 1991 in Amberg geborene Teresa Hager hat ebenfalls 2022 die erste, deutsche, vom Culture Change Hub organisierte, sowie vom Bundesverband Schauspiel BFFS, der Moin Filmförderung und dem Medienboard Berlin Brandenburg geförderte Weiterbildung zur Intimitätskoordinatorin abgeschlossen. Sie wurde von Chelsea Pace, Laura Rikard und Kim Shively nach den Standards und Best Practises von TIE / Theatrical Intimacy Education, sowie von der Stunt / Intimitätskoordinatorin Cornelia Dworak ausgebildet.
Teresa Hager, Intimacy Coordinator, Berlin | Crew United (crew-united.com)
Hätte es den Job früher schon gegeben, hätten “Vergewaltigungen vor laufender Kamera”, etwa während des Drehs von “Der letzte Tango in Paris”, verhindert werden können, sagt zum Beispiel Paulita Pappel. Die aus Spanien stammende Wahl-Berlinerin ist mit ihrem Erfahrungsschatz als Porno-Produzentin und Darstellerin mittlerweile ebenfalls eine gefragte Intimitätskoordinatorin. Sie will, dass die Arbeit zum Standard bei jedem Dreh wird. Noch gebe es viel Nachholbedarf, wie sie in einem Interview erklärt: 10 Fragen an eine Intimacy Coordinator (joyclub.de)
Mehr über Paulita Pappel: www.paulitapappel.com
Zum Vorfall im oben genannten Film: Als der Regisseur Bernardo Bertolucci und sein Hauptdarsteller Marlon Brando für den Film „Der letzte Tango in Paris (1972) kurzfristig beschlossen, die Schauspielerin Maria Schneider in einer Sexszene zwischen Brando und ihr zu überraschen, hatte dies einschneidende Konsequenzen für die Hauptdarstellerin. Wie sie in einem Interview später erklärte, fühlte sie sich in der Szene, die so nicht im Drehbuch stand, von Marlon Brando vergewaltigt. Bertolucci gestand später, er bedauere, was er damals gemacht hat.