Berufsbezeichnungen auf dem Beratungs- und Coachingmarkt
30/11/2024
Begrifflicher Wirrwarr: Coaching, Beratung, Moderation und was uns sonst noch im Netz anspringt.
Ein inhaltlicher und formaler Definitionskurs von Dominique Schneiter.
Neulich fand ich mich endlich einmal wieder in den Hallen eines Lichtspieltheaters ein und staunte im Popcorn-Werbe-Intro vor dem Hauptfilm nicht schlecht über den Werbespot einer großen deutschen Bank, die darin illustrativ und bunt ihren sogenannten Finanzcoach bewarb und anpries. „Unser Finanzcoach hilft seinem Coachee u.a. zu einem besseren Umgang mit Geld, die finanziellen Ziele zu erreichen und vermittelt generell Kenntnisse im Umgang mit Geld.“ Jawohl, dachte ich, natürlich haben die Coaches auch in diese Branche personifiziert Einzug gehalten. Wie genau darf ich mir solch einen Finanzcoach denn vorstellen? Erzähle ich ihm oder ihr in einem Gespräch – oder heißt das dann auch Sitzung – ebenfalls Privates von mir, z.B. von meiner alten Freundin, der arbeitslosen Grafikerin, die sich jedes Mal von mir zum Kaffee einladen lässt, weil sie ihr Bargeld vergessen hat und Kartenzahlung strikt ablehnt? Oder von meinem Bruder, mit dem ich, seit er mit 18 überstürzt von Hause ausgezogen ist und mich als Jüngere allein im bayrischen Kaff Trübsal blasend zurückgelassen hat, eine schlechte Beziehung habe?
Inwiefern spielen meine biografischen Verstrickungen generell in einem Coaching eine Rolle und wann wird jemand vom Moderator* zum Mediator* und was um Himmelswillen macht ein Facilitator und wann und wo macht er das?
Ein kleiner Kurs durch Begrifflichkeiten und Inhalte
- Mediator*
- Moderator*
- Trainer*
- Facilitator*
- Coach*
- systemischer Coach*
- Dozent* Berater*
Der Mediator*
Ein Mediator* (deutsch „Vermittler*“) ist ein Vermittler* zwischen zwei Parteien, die streiten. Um den Weg zur Konfliktbeilegung zu ebnen, bedient sich der Mediator* des Mediationsverfahrens.
Der Mediator* ist bei der Streitschlichtung eine unabhängige Person, die von den Konfliktparteien freiwillig beauftragt wird.
Form: Der Beruf des Mediators* zählt zu den Freien Berufen (Freie Berufe).
Inhalt: Ein zertifizierter Mediator* leitet einen Prozess mit zwei Parteien in einem vertraulichen Raum. Der Prozess bzw. die Kommunikationsführung ist an der GfK (Gewaltfreien Kommunikation – gfk-info.de) ausgerichtet und beinhaltet einen starken Perspektivwechsel, vor allem zu Beginn des Verfahrens, um eine Vertrauensebene zu schaffen. Zum Abschluss sollen und müssen Lösungen für beide Parteien gefunden werden.
Ein guter Mediator* hält sich während des Mediationsverfahrens an die Vorschriften und Abläufe, die das Deutsche Mediationsgesetz (mediationsgesetz.de – MediationsG) vorschreibt. Das implementiert vor allem drei Eigenschaften:
Allparteilichkeit: Ein Mediator* ist neutral, er ist nicht einfach „für eine oder keine Seite“ sondern für beide Seiten. Er strebt stets danach, für beide Seiten die besten Möglichkeiten für die Konfliktbeilegung zu ebnen und allen Bedürfnissen gerecht zu werden.
Unabhängigkeit: Ein Mediator* ist unabhängig von beiden Konfliktparteien. Ein guter Mediator* lehnt folglich eine Mediation in jedem Fall ab, wenn er mit einer oder beiden Parteien bekannt ist.
Qualifizierung: Die Berufsbezeichnung „Mediator*“ ist in Deutschland nicht geschützt. Das bedeutet, jeder* kann sich theoretisch Mediator* nennen. Ein guter Mediator* hat ein Zertifikat seiner Mediations-Ausbildung (mediation.de) in der Tasche.
Der Moderator*
Definition: Ein Moderator* (von demselben lateinischen Wort mit der Bedeutung ‚Mäßiger*‘, ‚Lenker*‘, ‚Handhaber*‘, ‚Regierer*‘; abgeleitet vom Verb moderare‚ mäßigen, in Schranken halten, regeln‘) ist eine Person, die ein Gespräch lenkt oder in einer Kommunikation vermittelt. Die Tätigkeit selbst bezeichnet man als Moderation.
Form: Der Beruf des Moderators* zählt zu den Freien Berufen.
Definition: Die Tätigkeit eines Moderators* ist die Moderation, ein viel gebrauchter Begriff. Moderation im Fernsehen dürfte hierfür das populärste Beispiel sein. Moderation kann sich auf den Bereich der Unterhaltung beziehen, auf den Bereich der Information, den Bereich des Lernens und der Problemlösungsarbeit.
Inhalt: Der Moderator* ist oft das Gesicht von TV- und Radiosendungen, Events oder Online-Formaten. Er präsentiert Inhalte, führt Interviews und steuert Dialoge. Kommunikationsstärke, schnelle Auffassungsgabe und Souveränität sind hier natürlich wichtig. Der Erfolg hängt von Persönlichkeit, Wissen und der Fähigkeit ab, das Publikum zu fesseln. Moderatoren* sind oft beim Film & Fernsehen, beim Hörfunk, bei der Werbung und im Internet zu finden.
Sein Arbeitsalltag umfasst viele unterschiedliche Aufgaben, die stark mit dem jeweiligen Setting variieren. Deswegen ist es oftmals von Auftrag zu Auftrag sehr unterschiedlich, welche konkreten Aufgaben der Moderator* übernimmt und hängt häufig von der Veranstaltung ab. Folgende Aufgaben bzw. Rollen sind typisch: der Gesprächsleiter*, der Gastgeber*, der Wissensvermittler*, der Spielmacher*, der Time-Keeper*, der Worterteiler*, der Guide bei Pannen, oder der Vermittler* zwischen Personen.
Qualifizierung: Einen staatlich vorgegebenen Ausbildungsweg für einen Moderator* gibt es bis dato nicht. Man kann Moderationsskills viel eher als Zusatzqualifikation erwerben und sich in diesem Gebiet spezialisieren. Die meisten Moderatoren* beginnen ein Journalismus Studium und belegen als Nebenfach Moderation. Quereinsteiger* aus anderen Berufsfeldern können sich in Workshops oder Seminaren weiterbilden.
Der Trainer*
Der Trainer* bezieht sich in der Begrifflichkeit am häufigsten auf den Sport, „jemand, der besonders Sportler/-innen trainiert“ bzw. eine auf einzelne Sportarten spezialisierte Fachperson, die Sportler* oder Tiere betreut und besonders für die Teilnahme an Wettkämpfen ausbildet.
Aber uns geht es hier nicht um den Sportbereich, sondern um die Abgrenzung zu ähnlichen anderen Berufssparten.
Definitionsversuch: Für mich ist ein Trainer* eine Person, die in strukturierter und planvoller Weise Wissen (Modelle, Methoden, erprobte Verhaltensweisen) an Einzelne oder eine Gruppe weitergibt. Dieses Wissen kann unter Anleitung verinnerlicht und geübt werden.
Form: Der Beruf des Trainers* zählt zu den Freien Berufen.
Inhalt: Der Trainer* konzipiert und leitet ein Training, das die Vermittlung von Fertigkeiten und neuen Handlungsoptionen zum Ziel hat, die dem Kunden* vorher nicht zugänglich waren, oder bei ihm noch wenig ausgeprägt und von ihm eingeübt waren. Im Training überwiegt der Handlungsaspekt, im Sinne von Einüben, Ausprobieren und Festigen von Fertigkeiten und Skills, die im Trainingsprozess als Lernziele davor definiert werden. Trainer* verfügen oft über fundierte Kenntnisse in Bereichen wie Psychologie, Kommunikation und Selbstmanagement. Bekannte Beispiele für Trainings sind z.B. Verkaufstrainings, Moderationstrainings, Kommunikationstrainings oder auch Fachtrainings usw. Ein Persönlichkeitstrainer z.B. zeichnet sich durch besondere zwischenmenschliche Fähigkeiten, Empathie und die Fähigkeit zur Selbstreflexion aus. Sie müssen in der Lage sein, eine vertrauensvolle Beziehung zu Ihren Klienten* aufzubauen und sie zu motivieren, positive Veränderungen in ihrem Leben anzustreben.
Qualifizierung: Der Trainingsberuf gehört unter die „Lehre“ und dieser darf frei ausgeübt werden. Um den Beruf des Trainers* auszuüben, ist in der Regel keine spezielle formale Ausbildung erforderlich. Allerdings kann eine Ausbildung in Coaching-Techniken (coaching-magazin.de) oder Psychologie von Vorteil sein. Wichtiger sind jedoch die praktische Erfahrung und die Fähigkeit, effektiv mit Menschen zu arbeiten. Networking und die Teilnahme an Weiterbildungsprogrammen können ebenfalls hilfreich sein, um ihre Fähigkeiten zu erweitern und sich als Experte* in diesem Bereich zu etablieren.
Der Facilitator*
Definitionsversuch: (Der Begriff Facilitator* findet immer mehr Einzug in unseren Sprachraum, dabei können wir uns häufig noch gar nichts darunter vorstellen.) Aus dem Englischen kommend [engl.: to facilitate: erleichtern, ermöglichen, fördern, unterstützen] wird der Begriff im Deutschen häufig mit „Moderator*“ übersetzt, obwohl es zwischen Facilitator* und Moderator* viele Gemeinsamkeiten und Überschneidungen gibt, haben die Aufgaben des Facilitators* einen anderen ganz eigenen Schwerpunkt.)
Der Facilitator* ist ein Wegbegleiter* für Strategieentwicklung, unterstützt bei der Schaffung einer Kultur der Führung und Zusammenarbeit sowie bei struktureller Erneuerung von Unternehmen.
Form: Der Beruf des Facilitators zählt zu den Freien Berufen.
Inhalt: Facilitation ist eine Art, mit Menschen zu arbeiten und wird genutzt, um den erfolgreichen Ablauf und Prozess von Treffen, Workshops oder Konferenzen sicherzustellen. Facilitation ermöglicht die Herausbildung von Kontakt, Fokus und Verbindlichkeit in Gruppen. Der Facilitator* ist ein Prozessbegleiter*, der die Zielerreichung einer Gruppe unterstützt, ohne dabei eine bestimmte Position in Entscheidungsprozessen einzunehmen. Er hilft bei der gemeinsamen Strategieentwicklung, ist stets neutral und lässt sowohl der Veranstaltung als auch deren Teilnehmern* Wertschätzung zukommen. Facilitation bedient sich dabei agiler, systemischer und selbst organisierender Ansätze und vereint diese. Seine Haltung ist ergebnisoffen und er bewegt sich mehr auf der Sachebene.
Folgende Unterscheidungen helfen zur Orientierung:
Achtung, die Moderation ist auch eine Teilaufgabe des Facilitators*. Er begleitet den gesamten Change-Prozess und sorgt zudem dafür, dass sich alle Beteiligten einbringen. Dies beginnt schon bei der Planung von Meetings und Konferenzen, sogar bei der Auswahl der Standorte und der Sitzordnungen, etc. Eine wichtige Unterscheidung vom Training oder der Beratung ist, dass Facilitatoren* in der Regel keine eigenen Inhalte, Wissen oder Expertise bezüglich des Themas oder der Problemstellung liefern.
Qualifizierung: Der Begriff des Facilitators* ist in Deutschland nicht geschützt. Das bedeutet, jeder kann sich theoretisch Facilitator* nennen und diese Tätigkeit anbieten. Es gibt zahlreiche Aus- und Weiterbildungen in diesem Bereich.
Der Coach*
Definition: Coaching ist ein interaktiver personenzentrierter Beratungs- und Begleitungsprozess im beruflichen Kontext, der zeitlich begrenzt und thematisch (zielorientiert) definiert ist. Die individuelle Beratung von einzelnen Personen, Gruppen oder Teams richtet sich auf fachlich-sachliche und/oder psychologisch-soziodynamische Fragen bzw. Problemstellungen, die sich auf die Arbeitswelt beziehen. Primär ist Coaching eine Prozessberatung und keine Fachberatung. Jedoch braucht der Coach* oftmals Expertenwissen jenseits der Prozessberatung, um überhaupt akzeptiert zu werden vom Klienten, z.B. Branchenwissen.
Form: Der Begriff Coaching wird als Sammelbegriff für unterschiedliche Beratungsmethoden verwendet.
Inhalt: Coaching findet auf einer tragfähigen Beziehungsbasis statt, die durch Freiwilligkeit, gegenseitiges Respektieren und Vertrauen begründet ist und eine gleichwertige Ebene des Kooperierens bedingt. Das Gespräch zielt immer auf eine Förderung von Selbstreflexion und -wahrnehmung, von Bewusstsein und Verantwortung, und von Selbsthilfe / Selbstmanagement ab. Coaching arbeitet mit transparenten Interventionen und Tools nach dem Prinzip des öffentlich Machens und des impliziten Vermeidens manipulativer Techniken, die der Entwicklung der Eigenkompetenz und Selbstreflexion entgegenwirken würden. Der Prozess baut auf die ressourcen- und lösungsorientierten Kompetenzen der Kunden* auf, die gefördert und aktiviert werden können. Coachs entwickeln gemeinsam mit den und nicht für die Kunden* individuell angemessene Lösungen in Passung an das System. Coaching ist ergebnis- und lösungsorientiert und braucht daher evaluierbare Kriterien für das Erreichen konkreter Ziele und explizit formulierte operable Aufträge für Inhalte, Rahmen und Interventionen.
Qualifizierung: Da Coaching kein geschützter Beruf ist, kommt es darauf an, welche Tätigkeit ausgeübt wird. Es gibt in der Regel kein formelles Ausbildungserfordernis. Es werden unzählige Aus- und Weiterbildungen zum Coach jeglicher Art angeboten. Bei der großen Auswahl ergibt es Sinn, sich über die verschiedenen Coaching Dachverbände (rauen-group.de) zu orientieren und informieren. Zertifizierungen sind möglich.
Ergänzung: Systemischer Coach*
Ein systemischer Coach* arbeitet genauso wie ein normaler Coach*, er orientiert sich allerdings sehr stark an den Ordnungsstrukturen von Systemen, überwiegend dem Familiensystem des Gegenübers. Ein systemischer Coach* stellt mit Figuren oder Stühlen oder gar digital bestimmte Systeme, wie zum Beispiel die Herkunftsfamilie Vater, Mutter, Kind auf. Das Ziel ist es, emotionale Blockaden zu lösen, oder Lösungswege zu erkennen. Diese müssen vom Klienten* gesehen und besonders gefühlt werden, sozusagen ans Licht gebracht werden, um sich dann, im besten Fall, zu lösen. Von dieser Grundordnung aus werden andere Systeme wie zum Beispiel im Arbeitskontext oder in Beziehungskontexten erleichtert und erlangen so neue Handlungsspielräume.
In der Systemik gehen wir davon aus, dass der Mensch unterbewusst bis zu sieben Generationen von seiner Ahnenlinie zurück transgenerational beeinflusst wird (basierend auf der Grundlage, dass der Mensch in tiefster Dankbarkeit mit seiner Herkunftsfamilie und auch den sieben Generationen zuvor verbunden ist). Unterbewusst ist jedes Problem in dieser definierten Ahnenlinie und jede Information abgespeichert und auch die passenden Lösungen dazu oder Lebenswege sind abgespeichert.
Zum systemischen Ansatz zählen u.a. Systemische Beratung, Systemisches Coaching, Systemische Supervision, Systemische Organisationsentwicklung und Systemische Pädagogik. Es wird mit Einzelpersonen, Paaren, Mehrpersonensystemen oder Organisationen gearbeitet.
“Stilblüten”
Weitere interessante Tätigkeitsblüten, die auf dem Boden der Möglichkeiten sprießen und somit eine Anregung zur Selbstrecherche sein können:
Well being facilitator
Trennungscoach
Visual facilitator
Digitalcoach
Hundemediation
uvm.