Susanne Pirklbauer – Kunst aus Zucker im Schaufenster
09/12/2023
Susanne Pirklbauer – Kunst aus Zucker im Schaufenster
Passend zur zuckrig süßen Weihnachts-Winterzeit bereichert, oder sagen wir besser, versüßt seit Mitte November die in Österreich geborene Künstlerin Susanne Pirklbauer, die sich auf Instagram „ZuckerSusi“ nennt, unsere kmkb-Schaufenster mit ihren einmaligen Kunstwerken aus Zucker.
Denn Zucker spielt im Werk der Malerin und Objektkünstlerin aktuell die Hauptrolle. Es ist wesentlich mehr als „nur“ eine sich spielerisch zu ergeben scheinende Zuckerschicht in einem Rahmen oder ein buntes, schwarzes oder weißes Werk aus einem kristallinen Lebensmittel. Es ist auch eine tiefergehende, bis in den sozio-kulturellen Bereich gehende Auseinandersetzung mit diesem Stoff, der uns in unterschiedlichsten Formen fast selbstverständlich in unserem Alltag begleitet.
Inhaltsverzeichnis
Die österreichische Künstlerin spielt in ihrer aktuellen Arbeit mit den verschiedenen Bedeutungsebenen und Materialqualitäten von Zucker.
„Denn“, so sagt Susanne Pirklbauer, „Zucker ist ein faszinierendes Material mit vielen verschiedenen Facetten. Er trägt eine wunderbare Ambivalenz in sich: in ihm steckt Verführung und Sünde zugleich. Er ist verpönt und kaum aus unserem Leben wegzudenken.“
Werdegang
Wer ist die Künstlerin Susanne Pirklbauer?
Geboren wurde Susanne Pirklbauer 1974 in Linz an der Donau, Oberösterreich, wo sie von 1993 bis 1999 ein Kunststudium an der Kunstuniversität Linz absolvierte.
Von 2000 bis 2002 belegte sie den Aufbaustudiengang „Bildnerisches Gestalten und Therapie“ an der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München.
Danach hatte sie bis 2009 eine freischaffende künstlerische Tätigkeit in Nymphenburg, von 2011 bis 2019 in den Domagkateliers an der Domagkstraße 33 und im Atelierhaus „Engl“ in Englschalking, sowie seit 2019 in der Ateliergemeinschaft Glockenbach 7 in München.
Zudem arbeitet Susi Pirklbauer seit 2033 als Kunsttherapeutin am „Klinikum rechts der Isar“.
Im Jahr 2009 gründete sie mit ihrer Partnerin das Café „Gartensalon“ in der Türkenstraße 90 in München. Dort übernahm sie auch die Planung und Raumgestaltung. Von der Idee „Zucker“ war sie durch ebendieses Café inspiriert. Der Einkauf von Süßwaren, die die beiden Frauen neben den hausgemachten Kuchen dort verkaufen, ist für sie bis heute eine innerkindliche Freude, wie Susi Pirklbauer erzählt. „An einem eher trüben Tag nach Ostern, saß ich ohne große Idee im Atelier und fackelte aus lauter Frust über die innere Leere, wie es manchmal so ist beim künstlerischen Prozess, ein übergebliebenes Fondant Küken aus Zucker ab. Der Zucker fing erstaunlich schnell Feuer, karamellisierte, begann zu duften, blubberte schwarz auf und tropfte dann aufs Papier. Dieser Moment hat mich überrascht und ich begann zu experimentieren. Das war der Start meiner Karriere als Zuckerkünstlerin. Es folgten Zuckerschüttungen mit pigmentiertem Zucker, Bilder mit karamellisiertem Zucker, Objekte, überzogen mit Zucker und vieles mehr. Das Experimentieren und Forschen sind ein starker Antrieb in meiner künstlerischen Arbeit.“
So beschrieb es einmal Friederike Streib vom „SALON F“, einem Social Club & Co-Working-Space für Frauen in München, sehr schön: „[…] mal geht abstrakt in schwarz-weiß ein dichter Zuckerregen auf die Betrachter*in nieder, ein andermal flattern kecke Vögel aus bunten Zuckerperlen durch die Bilder, als seien sie dem Bonbon-Glas der Kindheit entwischt. Das Medium Zucker erlaubt jedem einen ganz intuitiven Zugang zu den Bildern und Objekten, fast ist man versucht, den Finger nur ganz kurz einmal auszustrecken und zu kosten.
Vor allem aber verblüffen die scheinbar unendlichen Variationen, die Susanne dem Zucker entlockt, seine vielfältigsten Aggregatszustände – als glitzernde Kristalle in der Schneelandschaft, als verkohltes Mashmallow in Moshammers Frisur oder als blütenweiße Versuchung in Cinderella’s Bedsheet.“
Was sie an der Arbeit mit Zucker reizt, wollte einmal „peder w. strux“ vom Paul Klinger Künstlersozialwerk in einem Interview der Reihe „Künstler fragen Künstler“ wissen: „Es ist der Werkstoff Zucker selber, der eine wahnsinnig schöne Struktur hat, sehr unterschiedliche Aggregatzustände zeigt und gleichzeitig ist es auch der Inhalt, das Thema“, erklärte Susanne Pirklbauer darin. „Mit Zucker kann jeder etwas anfangen […], der ist auch aufgeladen mit Themen […] und das vermischt sich. Und da ergibt sich dann ein breites Spektrum – von visuellen über orale Genüsse, zu kritischen Dingen. Die Ambivalenz des Zuckers an sich. Zuerst erhasche ich die Menschen mit dieser visuellen Schönheit des Zuckers. Und beim zweiten Hinschauen, vielleicht mit dem Titel, tut sich dann diese zweite Welt auf. Ich empfinde es als Freude, wenn sich aus dieser visuellen Welt auch die Gedankenwelt beim Betrachter öffnet.“
Und Carola Conrad resümierte sehr treffend:
„Susanne Pirklbauer spielt in ihren künstlerischen Arbeiten mit den verschiedenen Bedeutungsebenen und Materialqualitäten von Zucker. Souverän und humorvoll. Frech und lustvoll, provokativ; aber auch nachdenklich oder ganz zart.
Dabei entlockt sie dem Zucker immer wieder neue Facetten und lässt ihn ständig über sich hinauswachsen. Gegenstandslos. Figurativ. Schwarz Weiß. Im Duett mit Farbe. Als Zuckerperlen, Zuckerschlangen, Puderzucker. Geschmolzen, karamellisiert …
Die ruhigen Arbeiten sind der eine Pol. Weiße Puderzuckermonde, ätherisch leicht und still. Oder Zuckerlandschaften, die glänzen und changieren, zwischen Gischt – oder Schnee? Oder die seriellen Schüttungen aus schwarzem und weißem Zucker. Letztere konservieren den Entstehungsprozess und überführen eine zentrale Materialeigenschaft des Zuckers, weiß und rein, in einen spannungsreichen Gegensatz.
Überhaupt, Gegensätze: Susanne Pirklbauer jongliert mit Gegensätzen und fordert Erwartungen heraus. In Bezug auf Schein und Sein. Auf Geschlechterrollen und – zuschreibungen. Auf Individualität und Vielfalt. Auf unsere Erwartungen an Kunst!
Bei Susanne Pirklbauer ist die Kunst manchmal frei und nur für sich, und manchmal ist sie frei und will die Welt verändern. Aber nie pädagogisierend, sondern immer lustvoll. Manchmal frech und hemmungslos provokativ. Gelegentlich auch zart. Immer reduziert und auf den Punkt. Und immer wieder über sich selbst hinauswachsend, Hand in Hand mit Zucker.“
Feministische Themen durch Vulven aus Zuckerperlen
Mit ihren bunten Vulven aus Zuckerperlen zum Beispiel, geht Susanne Pirklbauer auch feministische Themen an.
Was sie an diesen feministischen Themen reizt und was für schwierige Momente es in der Auseinandersetzung mit diesen Themen für sie ganz besonders gibt, fragte „peder w. strux“ im bereits erwähnten Interview der Reihe „Künstler fragen Künstler“ weiter: „Da fällt mir sofort das Wort Scham ein“, erklärt Susanne ihm. „Also der Umgang mit der eigenen Scham. So eine Arbeit zu machen. Eine Vulva aus Zuckerperlen zu machen. Was macht das bei mir, wo kann ich das aufhängen? Und gleichzeitig interessiert es mich auch, eben Zucker und die Sinnlichkeit oder was Orales zu verbinden, was einfach auch Teil unserer Sexualität oder unseres Lebens ist. Und da merke ich, dann komme ich an meine eigenen Grenzen, da gehe ich dann drüber. Gleichzeitig interessiert es mich dann auch, was sozio-kulturell passiert. Hat es eine Begrifflichkeit, ›Vulva‹? Wo geht’s hin? Ja, ich komme da an meine Grenzen, ich merke, ich kann schwer darüber sprechen, aber ich tu mir leicht, es zu produzieren und aufzuhängen und […] wahrscheinlich wird man auch berührt mit dem Thema. Auch der Betrachter.“
„Ist also die Frage, ›wie komme ich an meine weibliche Grenze und wie kann ich sie nach außen bringen und anderen Menschen einen Weg ebnen zu ihrer eigenen Auseinandersetzung mit der Weiblichkeit, mit der Männlichkeit, mit dem Menschsein?‹“
„Ja, […] es wird auch heftig diskutiert. Also, meine Arbeiten kommen auch an, bei den Frauen.
Was Diversität betrifft oder, ja, dieses Auseinandersetzen mit Weiblichkeit und mit „sich zeigen“.
Und was ich dann auch spannend finde, ich nehme zum Beispiel für diese Arbeiten dekorative Perlen, die man eigentlich auf den Kuchen drauf macht. Es geht also um Dekoration, und doch sind die Arbeiten noch viel tiefer. Das ist auch so. Frauen, die sich oft dekorieren, um nach außen zu wirken, erkennen die eigenen Bedürfnisse, die innen liegen. Auch wieder so ein Spannungsraum innerhalb des Zuckers, je nach Arbeit.“
Apropos „Dekoration“: dieses Jahr dekoriert Susi Pirklbauer, neben der Ausstellung ihrer Werke, auch unsere Schaufenster winterlich-weihnachtlich. Nicht nötig zu erwähnen, dass alles aus Zucker ist. Wir freuen uns. Vielen Dank dafür!
Kontakt:
Instagram: https://www.instagram.com/susanne_pirklbauer