Buch Rezension - Das Liebespaar des Jahrhunderts - Julia Schoch

“Das Liebespaar des Jahrhunderts” von Julia Schoch – eine Buchempfehlung

21/10/2023

Wohin die Liebe geht, wenn sie verschwindet

In “Das Liebespaar des Jahrhunderts” setzt sich die vielfach preisgekrönte Autorin Julia Schoch auf lebensversöhnliche Weise mit der schleichenden Entfremdung zweier Menschen auseinander.

Als ewig Suchende ist die Protagonistin vermutlich zu intelligent, um dauerhaft glücklich sein zu können, vermutet man vorschnell. Denn die Frau ist anfangs überzeugt, ihren Mann verlassen zu wollen. “Im Grunde ist es ganz einfach: Ich verlasse dich. Drei Wörter, die jeder Mensch begreift”.

Doch vor der Grenzüberschreitung kommt die Erinnerung an die alten Zeiten, die rauschhaften Jahre der Verliebtheit und die allmähliche Entzauberung, die auch in Ignoranz und verbaler Verletzung mündet. Trotzdem geht es im Grunde nicht um Schuldzuweisung, den ohnmächtigen Wunsch behalten zu wollen, was so lange lebenswichtig erschien oder die Kinder. “Ich wünschte, ich könnte die Geschichte ohne die Kinder erzählen”, lässt Schoch die Frau sagen.

Trotzdem ist da die Erkenntnis, ohne den Menschen an ihrer Seite fehlt auch nichts mehr. “Jeder in seiner Blase gingen wir freundlich-gleichgültig miteinander um”, liegt Streit in der Luft, wird eben die Wohnung geputzt. Doch auch Ernüchterung will sich nicht richtig breitmachen. Verbitterung wegen Selbstaufgabe vielleicht? Die typische Leere, die auf die Selbstständigkeit der Kinder folgt? “Aus Gewohnheit hastete ich manchmal noch nach Hause”, berichtet die Frau, als sie endlich ihre Wünsche nach freier Selbstbestimmung erfüllt und sich danach zurücksehnend wiederfindet. 

Keins der Klischees will wirklich passen, und trotzdem ist die Frau ihrem ureigenen Muster auf der Spur. “Auf eine heimliche, versteckte Weise hofft man, dass die ganze Geschichte, das eigene Leben auf irgendetwas hinaufläuft, sagt der lange angebetete Mann, bevor nach 30 Jahren das Manifest der Verliebten aus einer Kiste am Dachboden auftaucht. Ändert nicht auch der Akt des Aufschreibens die Dinge maßgeblich? 

Zart und gleichsam schonungslos geht Schoch mit sich und ihrer Liebe ins Gericht und bleibt sich auf wunderbare Weise treu in ihren gefundenen Fragen und Antworten: “Offenbar ist die Bedingung fürs Zusammenbleiben, dass man abrückt voneinander”, schreibt sie auf der Suche nach dem Wendepunkt, der sie unweigerlich auf eine Erkenntnis zurückwirft, bevor sich der Buchdeckel schließt.

Bis zum letzten Wort hängt man gebannt an den im Druck hingegossenen Lippen dieser Autorin.

Julia Schoch wurde am 17. Mai 1974 als Tochter eines Offiziers und einer Buchhändlerin in Bad Saarow-Pieskow geboren. Sie wuchs in Eggesin auf, einer Kleinstadt am südlichen Ufer des Stettiner Haffs.1986 zog sie mit ihrer Familie nach Potsdam. Nach der Schule studierte Schoch Germanistik und Romanistik an der Universität Potsdam, in Montpellier und Bukarest. Seit 2003 ist die zweifache Mutter als freue Autorin und Übersetzerin tätig. Gilt sie heute als “Virtuosin des Erinnerungserzählens” (FAZ), errang sie schon früh zahlreiche Förderpreise und Stipendien. Abgesehen von längeren Auslandsaufenthalten lebt sie mit Mann und Kindern in Potsdam, wo sie Romane, Erzählungen, Essays, Hörspiele und Kolumnen verfasst. Zu ihren Werken zählt unter anderem Der Körper des Salamanders (Debut 2011), Fontaneske. Einmal so schreiben, so reisen, als ginge es um nichts (2019) und Das Vorkommnis (2022), für das sie 2023 mit dem Schubart-Literaturpreis geehrt wurde. 2022 erhielt Schoch zudem die Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung.

Text: Annemarie Göbbel

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