Die Frau in Hitlers Badewanne
Wer weiß, wie Elsabeth „Lee“ Millers Leben verlaufen wäre, wenn sie nicht in dieser einen Sekunde im Jahr 1926, in der sie in Manhattan vor ein herankommendes Auto lief, von einem Passanten zurückgezogen worden wäre und wenn dieser Mann nicht zufällig der Verleger Condé Nast, der damalige Herausgeber der Zeitschriften Vanity Fair und Vogue gewesen wäre?
Inhalte
- Die Frau in Hitlers Badewanne
- Vom Model zur Kriegsfotografin. Zwischen Frontlinien und Fotokunst.
- Von der Künstlerin zur Kriegsberichterstatterin mit Kamera
- Fotoreportage Lee Miller’s War
- Die Frau in Hitlers Badewanne
- Eine Synthese aus Kunst und Dokumentation
- Lee Millers Fotografien als kraftvolles Werkzeug für den Feminismus
- Die Bedeutung ihrer Werke für die Nachkriegszeit
- Beitrag zur Erinnerungskultur
- Der Spielfilm „Die Fotografin“, mit Kate Winslet in der Titelrolle
- Beiträge zum Thema Portrait
Vom Model zur Kriegsfotografin. Zwischen Frontlinien und Fotokunst.
Dieser „Passant“ war von Elizabeth „Lee“ Millers aparter Erscheinung und ihrer eleganten Kleidung gleich so fasziniert, dass er ihr spontan einen Vertrag als Fotomodel anbot, den sie auch unterzeichnete. Eine schicksalhafte Begegnung, die ihr Leben für immer verändern sollte. Ihre Modelkarriere begann sie auf dem Cover der amerikanischen Vogue und wurde von da an von den größten Talenten der damaligen Zeit fotografiert. Anlässlich des deutschen Kinostarts des Spielfilms Die Fotografin (Originaltitel: Lee) am 19. September 2024, mit Kate Winslet in der Titelrolle, schauen wir auf das Leben und Werk von Elizabeth „Lee“ Miller, eine der bedeutendsten Fotografinnen des 20. Jahrhunderts.
Möglicherweise wäre sie also nie ein Model geworden, aber vermutlich, und zum Glück, trotzdem die berühmte und bedeutende Fotografin, die sie war, weil sie bereits in ganz jungen Jahren durch ihren Vater Theodore mit der Fotografie in Berührung kam. Dieser brachte ihr die technischen und künstlerischen Grundlagen des Handwerks bei, auch, indem er sie porträtierte. Denn er selbst war ein leidenschaftlicher Hobbyfotograf, der nicht nur eine Dunkelkammer besaß, sondern auch eine eigene Kamera. Eine Kodak Brownie. Damals eine kleine Sensation, dieser Fotoapparat, der das erste Mal im Jahr 1900 (und noch bis 1986) produziert wurde. Anstelle der schweren Glasplatten verwendete die Kamera einen Rollfilm. Das Gehäuse bestand aus Karton und erinnerte an eine Keksschachtel – daher der Name. Sie kostete lediglich 1 Dollar, was heute ca. 37 Dollar wären, und wurde damit schnell populär. Mit diesen Brownies wurde auch der Erste Weltkrieg von amerikanischen und britischen Soldaten dokumentiert. Womit wir schon fast beim Thema wären: Lee Miller als Militärkorrespondentin und Kriegsfotografin.
Von der Künstlerin zur Kriegsberichterstatterin mit Kamera
Elizabeth „Lee“ Miller, die im April 1907 in Poughkeepsie, New York geboren wurde, die in der Schule eine unangepasste Schülerin und eine
entschlossen handelnde, kluge und unabhängige junge Frau war, wurde nicht nur ein Fotomodel, sondern ab 1927 selbst eine bekannte Porträt-
und Modefotografin, mit Leidenschaft für metaphysisch-surreale Sujets und Stilelemente.
Mit dem Maler, Filmemacher und Fotografen Man Ray arbeitete sie gemeinsam an Fotoprojekten, oft mit experimentellen Techniken, wie Verfremdung durch enge Bildausschnitte oder durch Solarisation, ein Verfahren der Überbelichtung. Diese Techniken erlaubten es, mehrere Ebenen von Realität und Traum in einem einzigen Bild zu verschmelzen. Solche Experimente führten zu einem unverwechselbaren Stil, der die Fantasie anregt und die Konventionen der Zeit in Frage stellte. Ihren surrealistischen Blick bewies Lee Miller auch mit Aufnahmen in den Straßen der Stadt, wo sie Absurditäten in alltäglichen Motiven fand. Irgendwann gehörte sie fest in den Kreis der Surrealisten Georges Bataille, Michel Leiris, Paul Eluard oder Max Ernst. Picasso porträtiert sie, Jean Cocteau dreht seinen ersten Film über sie. Nach der Trennung von Man Ray, mit dem sie kurzzeitig liiert war, arbeitet Lee Miller selbstständig mit einem eigenen Fotostudio. Vor allem aber wurde sie später zu einer berühmten Fotojournalistin und Kriegsfotografin, deren Werke inzwischen zu den wichtigsten Fotoarbeiten des 20. Jahrhunderts gezählt werden.
“Lee Miller hat im Grunde viele verschiedene Leben gelebt”, sagte einmal die Kunsthistorikerin und Direktorin des Bucerius Kunst Forum in Hamburg, Kathrin Baumstark, über sie. “Sie war eine lebenshungrige Frau, die gern Grenzen überschritten hat. Selbst gemessen an heutigen Maßstäben war sie extrem unangepasst.” Lee Miller galt als rastlos, immer wieder brach sie zu neuen Ufern auf. So passt es perfekt ins Bild, dass sich Lee Miller einmal sehr zutreffend mit diesen Worten beschrieb: “Aus irgendeinem Grund möchte ich immer lieber woanders hin.”
1944 wurde Lee Miller von der US-Army als Militärkorrespondentin akkreditiert und arbeitete eng mit dem Time-Life Fotografen David E. Scherman zusammen, der zudem ebenfalls für kurze Zeit einer ihrer Lebensgefährten wurde. Miller war eine der wenigen Frauen, die als Kriegsberichterstatterinnen eingesetzt wurden. Als Kriegsfotografin lieferte sie bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs, zusammen mit Scherman, unter anderem Bilddokumente vom „London Blitz“ (die Angriffe der deutschen Luftwaffe auf London zwischen dem 7. September 1940 und dem 16. Mai 1941) und von der Invasion der Alliierten von Juni bis Ende August 1944. Für die US-Vogue lichtete sie beispielsweise im zerbombten London auf der Straße Models ab. Mit dem Ziel, den Amerikanern* das Alltagsleben nach dem Krieg nahezubringen. “Das war auch eine Art Propaganda” erläutert Kathrin Baumstark. “Während die Männer im Krieg waren, sollten die Frauen trotzdem gut aussehen. Also hieß es: Wie kleide ich mich mit weniger Geld gut?”. Die Filme entwickelte Lee in einer improvisierten Dunkelkammer in ihrem Hotelzimmer. Zudem dokumentierte sie die Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Dachau.
Die fotojournalistische Berichterstattung vom Ende des Zweiten Weltkriegs für die Magazine Life und Vogue, die größtenteils erst nach ihrem Tod unter dem Titel Lee Miller’s War 1992 von ihrem Sohn Antony Penrose, mit einem Vorwort von David E. Scherman veröffentlicht worden ist, zählt zu Lee Millers Hauptwerk. Antony Penrose ist Lee Millers gemeinsamer Sohn mit dem surrealistischen Maler und Dichter Roland Penrose, ihrem zweiten Ehemann.
Diese Fotoreportage beginnt mit den Vorbereitungen zur Invasion der Alliierten in die Normandie, berichtet über die Befreiung von Saint-Malo und Paris 1944, zeigt aber auch mit einem Besuch Pablo Picassos in seinem Pariser Atelier und mit den Porträts von Cocteau, Colette und anderen, die noch verbliebenen Künstler* aus ihrem Freundes- und Bekanntenkreis. Provisorische Modefotografien im winterlichen Paris 1944/1945 und eine Mischung aus Reportagen und Dokumentationen, sogenannte Features von Schauspielern wie Maurice Chevalier, Marlene Dietrich oder Fred Astaire bei der Truppenbetreuung erzählen vom langsamen Wiedererwachen der Kunst- und Kulturszene. Pablo Picasso freute sich, so weiß man, sehr über das Wiedersehen mit seiner alten Freundin Lee. Der spanische Maler war während der deutschen Besatzung in Paris geblieben. 1937, also noch vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, hatte der Meister sechs Bilder von Miller gemalt. Des Weiteren sind darin Bilder der Ardennen, des zerstörten Elsass‘, der zerstörten Städte Köln, Ludwigshafen und Frankfurt von 1945 oder des Zusammentreffens des US-Infanterieregiments mit Sowjettruppen in Torgau und, wie bereits erwähnt, der Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Dachau zu sehen. Diese zeigen das Leid der ausgemergelten Gefangenen und die Fassungslosigkeit der überwältigten, unbekümmert wirkenden Lageraufseher mit blutverschmierten Gesichtern. Die mehr als eindrucksvolle Reportage endet mit einer Aufnahme des brennenden Berghofs auf dem Obersalzberg, die Lee Miller selbst als Adlernest in Flammen: der brennende Scheiterhaufen des Dritten Reichs betitelte.
Lee Miller gehörte zu den ersten, die Fotografien vom zerstörten Westdeutschland veröffentlichten, wodurch sie die Wahrnehmung der Zeit unmittelbar nach der Kapitulation maßgeblich beeinflusste. Ihr Mitgefühl für die Opfer der NS-Diktatur, wie Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge, stand in starkem Gegensatz zu ihrer Abneigung gegenüber den besiegten Deutschen. Sicher ist aber auch: Solche Bilder haben Lee Miller zutiefst erschüttert, sie gruben sich in ihre Seele ein. All diese traumatischen Erfahrungen hinterließen nachhaltige Spuren in der Psyche der Fotografin. Irgendwann glaubt Kathrin Baumstark, habe Lee Miller sich selbst überfordert. Vor allem mit den Eindrücken, die sie in den befreiten Konzentrationslagern sammelte: “Lee Miller bekannte, den Gestank aus Dachau habe sie nicht mehr aus der Nase gekriegt.” Gewiss war das einer der Gründe, warum sie ihre Impressionen unbedingt in Reportagen für die amerikanische und die britische VOGUE festhalten wollte. Doch Lee Miller weigerte sich auch, über das Erlebte zu sprechen. Sie versteckte ihre Fotos auf dem Dachboden, die Originalabzüge zerstörte sie. „Den Begriff der posttraumatischen Störung kannte damals noch keiner”, bemerkte Kathrin Baumstark. Heute geht man davon aus, dass sie unter genau diesen Störungen zu leiden hatte.
Eines ihrer bekanntesten Fotos, das sie allerdings nicht selbst fotografierte, sondern worauf Lee Miller posierend von ihrem Kollegen Scherman abgelichtet wurde, entstand am Nachmittag des 30. April 1945 in der Badewanne von Hitlers Privatwohnung in München, die gerade erst von GIs besetzt wurde. Kurz davor hatte Lee das befreite Konzentrationslager Dachau besichtigt. Der „Schauplatz Badezimmer“ ist minutiös arrangiert. Viel Zeit blieb den beiden nicht, denn vor der Tür wartete schon ein amerikanischer Offizier, bewaffnet mit Seife und Handtuch. Als Beute ließ es sich die Kriegsfotografin nicht nehmen, ein Handtuch mit den Initialen des “Führers” mitgehen zu lassen.
“Lee Miller hat immer gesagt, ihr Werk sei klein. Es würde niemanden interessieren”, erzählt die Direktorin des Bucerius Kunst Forums in Hamburg, sieht das selbst allerdings ganz anders. Auch sie hält die Amerikanerin für eine der bedeutendsten Fotografinnen des 20. Jahrhunderts. Deshalb zeigte sie in ihrem Haus vom 10. Juni bis 24. September 2023 die Ausstellung Lee Miller. Fotografin zwischen Krieg und Glamour. Präsentiert wurden 150 Werke aus der Zeit von 1929 bis 1973. Zudem gab sie in diesem Zusammenhang ein Buch über Lee Miller und die Ausstellung heraus. Eine Leseprobe des Buchs Lee Miller – Fotografin zwischen Krieg und Glamour mit Text und Fotos finden Sie auf kulturkaufhaus.de.
Lee Millers Lieblingskamera war die in Deutschland hergestellte Rolleiflex, eine zweiäugige Spiegelreflexkamera, die Rollfilme der Stärke 120 verwendete und 12 Negative im Format 60 m/m (2 ¼ Zoll) machte. Sie war sehr zuverlässig und hatte hervorragende Objektive.
Eine Synthese aus Kunst und Dokumentation
Die Linse einer Kamera kann die grausamsten Wahrheiten enthüllen und zugleich die menschliche Seele einfangen.
Lee Millers Fotografien während des Zweiten Weltkriegs bieten einen einzigartigen Einblick in die menschliche Erfahrung des Krieges, der weit über das bloße Abbilden von Konflikten hinausgeht.
Ihre Fähigkeit, die Grausamkeiten und das Leiden der Zivilbevölkerung einzufangen, zeigt ihr tiefes Verständnis für die psychologischen und emotionalen Auswirkungen von Krieg. Lee Miller gelang es, sowohl die brutale Realität als auch die verletzliche Menschlichkeit der Menschen, die sie fotografierte, zu vereinen. Eine bemerkenswerte Synthese aus Kunst und Dokumentation. Genau das macht ihre Arbeiten so bedeutend für die Kriegsberichterstattung, da sie dem Betrachter eine authentische Perspektive auf oft ignorierte Aspekte des Krieges ermöglichten. Ihre Porträts wecken Mitgefühl und Empathie. Durch ihre künstlerische Perspektive schafft sie es, die Zerstörung und das Menschliche hinter den Frontlinien einzufangen, was ihren Fotografien eine bemerkenswerte Tiefe verleiht. Dieses Verweben von Schönheit und Leid bleibt in der Kriegsberichterstattung oft unberücksichtigt.
Die feministische Dimension ihrer Kunst, in einer von Männern dominierten Branche, öffnete zudem neue Diskurse über die Rolle von Frauen in der Fotografie. Denn ihre Bilder zeigen nicht nur die Grauen des Krieges, sondern auch die Stärke und Resilienz der Frauen, die in dieser Zeit lebten. Auch hier weiß Kathrin Baumstark: „Sie wollte mit ihrer Kamera festhalten, wie Frauen den Krieg erlebten – sei es als Krankenschwester oder als Mitglied der Suchscheinwerfer-Einheit. Es war für Lee Miller essenziell, Fotos an der Front zu machen. Dabei war das Frauen normalerweise gar nicht erlaubt. Trotzdem schlug sie sich regelmäßig zu den Gefechten durch. […] Sie wurde immer wieder zurückgeschickt. Manchmal bekam sie Abmahnungen, einmal wurde ihr sogar die Akkreditierung entzogen. Denn Lee Miller hatte offiziell lediglich zu Krankenhäusern und Feldlazaretten Zugang.”
Lee Millers Fotografien als kraftvolles Werkzeug für den Feminismus
In einer Ära, in der das Patriarchat herrschte, wurden Millers Fotografien zu einem kraftvollen Werkzeug für den Feminismus und beeinflussten auch die nachfolgenden Generationen von Fotografinnen und Journalisten. Ihr Einfluss bleibt ein bedeutendes Erbe, das bis heute in der Kriegsberichterstattung nachwirkt.
Sie stellte konventionelle Vorstellungen von Weiblichkeit und Krieg infrage, indem sie sich in die rauen Realitäten des Konflikts wagte. Fragt man die Direktorin des Bucerius Kunst Forums, warum die Fotografin überhaupt Kriegsberichterstatterin werden wollte, antwortet sie: “Einerseits wurde Lee Miller einfach von ihrer Abenteuerlust getrieben. Zum anderen konnte sie während des Kriegs nicht untätig sein. Deshalb zog sie mit ihrer eigenen Waffe los – mit ihrer Kamera.”
“Lee Miller war es wichtig, dass die Menschen ihr diese Gräueltaten wirklich glaubten”, betont Kathrin Baumstark. “Denn selbst jene Amerikaner, die die Konzentrationslager befreit hatten, dachten manchmal: Das kann nicht real sein. Die amerikanische Regierung muss diese Schreckensszenarien aufgebaut haben, um Propaganda zu machen.”
Die Bedeutung ihrer Werke für die Nachkriegszeit
Die Bedeutung ihrer Werke ist heute unumstritten. Früher wurden sie jedoch zum Teil nicht gedruckt. Die Reaktionen der Öffentlichkeit auf Lee Millers Fotografien in der Nachkriegszeit waren stark geprägt von den emotionalen und gesellschaftlichen Umständen jener Zeit.
Millers Bilder stießen auf unterschiedliche Resonanz. Einerseits wurden ihre Fotografien, insbesondere die der Zerstörung und des Leids, als tiefgreifende und ehrliche Dokumentationen der Realität wahrgenommen. Zuschauer und Kritiker schätzten ihre Fähigkeit, die Schrecken des Krieges ohne Beschönigung festzuhalten. Diese Bilder trugen dazu bei, das Bewusstsein für die humanitären Konsequenzen des Krieges zu schärfen, und halfen, die Gräuel des Nationalsozialismus im kollektiven Gedächtnis zu verankern. Andererseits sahen sich Lee Millers Fotografien auch kritischen Reaktionen gegenüber. Einige Deutsche empfanden die Darstellung ihrer Heimat in Trümmern als verletzend und übermäßig negativ. Vor allem die Darstellung der besiegten Deutschen in einem ambivalenten Licht – als Opfer der eigenen Geschichte, jedoch gleichzeitig als Teil eines Systems, das unvorstellbares Leid verursacht. Zusätzlich kritisierte man auch das mediale Potenzial ihrer Fotografien, das gelegentlich als ein Werkzeug der Propaganda angesehen wurde. Während einige ihre Arbeiten als essenziell für die Aufarbeitung der Vergangenheit betrachteten, warfen andere vor, sie könnten die Narrative des Krieges manipulieren oder vereinfachen.
Doch ihre Bilder eröffneten letztendlich Diskussionen über Schuld, Mitgefühl und die menschliche Erfahrung in Kriegszeiten und trugen dazu bei, die frühere Wahrnehmung von Deutschland und dem Holocaust in der westlichen Welt zu transformieren. Millers Fotografien sind nicht nur Dokumentationen von physischem Leid, sondern auch Ausdruck menschlicher Resignation und der Suche nach Hoffnung. Ein besonders bemerkenswertes Beispiel ist ihr ikonisches Bild von einem erschöpften Soldaten, das die Verzweiflung und die psychischen Narben zeigt, die der Krieg hinterlassen hat.
Beitrag zur Erinnerungskultur
Lee Millers Fotografien werden in Ausstellungen, Museen und Publikationen weltweit gezeigt. Indem sie die Vergangenheit visuell festhält, bietet Millers Werk eine Plattform für die Erinnerungsarbeit und ermöglicht es, die Lektionen der Geschichte an zukünftige Generationen weiterzugeben.
In einer Zeit, in der visuelle Medien eine immer größere Rolle in der Darstellung der Geschichte spielen, bleibt Millers Ansatz, die Realität ungeschönt darzustellen und dabei den menschlichen Aspekt nicht aus den Augen zu verlieren, von großer Bedeutung.
Das fotografische Werk von Lee Miller im Lee Miller Archive in Chiggingly, der Ort, in dem sie am 21. Juli 1977 mit 70 Jahren an Krebs stirbt, umfasst rund 40.000 Negative, ihre Korrespondenz und Textentwürfe. Kurz nach dem Tod seiner Mutter entdeckte Tony Penrose auf dem Dachboden Schuhkartons mit Tausenden von Negativen und Abzügen. Er hatte keine Ahnung, dass sie Millionen Lesern vom Krieg in Europa berichtet hat. “Sie war so distanziert. Auch als Mutter ist sie mir eigentliche ferngeblieben. Meinem Vater ging es ähnlich.” Kurz vor ihrem Tod hatte Lee Miller in ihrem Tagebuch notiert, was sie anders machen würde, wenn sie noch einmal von vorne beginnen könnte: “Vor allem würde ich versuchen, diese Glocke des Schweigens zu brechen, die sich über mir schließt, sobald es sich um Gefühle handelt.”
Hier ein Einblick in eine Auswahl ihrer Fotos des Lee Miller Archives:
Der Spielfilm „Die Fotografin“, mit Kate Winslet in der Titelrolle
Die Fotografin (Originaltitel: Lee), in dem das Leben von Lee Miller behandelt wird, ist ein britischer Spielfilm und gleichzeitig das Spielfilmdebüt der vor allem als Kamerafrau und Dokumentarfilmerin bekannten Ellen Kuras, aus dem Jahr 2023.
Die Titelrolle spielt Kate Winslet. Das Werk wurde im September 2023 im Rahmen des Filmfestivals von Toronto uraufgeführt. In den deutschen Kinos ist das Werk ab dem 19. September 2024 zu sehen.
Das Filmprojekt wurde bereits im Oktober 2015 angekündigt, während zur selben Zeit die Ausstellung Lee Miller: A Woman’s War im Imperial War Museum in London eröffnet wurde.
Die Musik machte Alexandre Desplat, Kameramann war Pawel Edelman und den Schnitt machte Mikkel E.G. Nielsen.
Die britische Schauspielerin Kate Winslet erklärte, „durch eine Reihe außergewöhnlicher Ereignisse“ an die Titelrolle gelangt zu sein. Dazu zählte sie auch den Erwerb eines Tisches, der einst Miller gehörte und an dem diese Zeit in Gesellschaft von Pablo Picasso oder Max Ernst verbracht haben soll. Winslet beschrieb ihre Figur als „eine großartige Explosion der Extreme […] Eine extreme Liebhaberin, Denkerin, Lebensbejaherin, Köchin, Vogue-Covergirl, Kriegskorrespondentin, Ikone, Mutter“, die von der „Geschichte weitgehend unverstanden“ zurückgelassen worden sei. Lee Millers Sohn Antony Penrose selbst begrüßte seinerzeit die Verpflichtung von Winslet und sollte auch als Berater bei der Produktion mitwirken. (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Fotografin).