September 2022
München 72 – Werner Herzogs 80ter – The Act of Killing
07/09/2022
Veranstaltungen im September
Die Veranstaltungskalender der Kultur-Einrichtungen explodieren. Ein Festival jagt das nächste. So viel ist los, in der Stadt, der Kulturmetropole Bayerns. Die Auswahl fällt schwer. Hier bieten wir einen kleinen Ausschnitt auf das was uns bewegt. Bewegt hat den Autor die Ausstellung “München 72” im Münchner Stadtmuseum, die es schafft, Emotionen und Eindrücke zu transportieren, die einen Geschmack eines Zeitgeists vermittelt, wo vieles an gesellschaftlichen Prozessen noch möglich schien. Nach der Olympiade wurden die Herbsttage heißer, davon gab es nach dem Anschlag der Terrororganisation während der Olympiade einen Vorgeschmack. Jedoch, in Erinnerung von 1972 bleibt überwiegend die Farbenpracht, die Heiterkeit und die Stimmung eines kulturellen Wandels in München und Deutschland.
Weiter geben wir einen kleine Ausschnitt des Programms des Filmmuseum Münchens anlässlich des Achtzigsten Geburtstag von Werner Herzog wieder. In Ergänzung dazu folgt unser Filmtipp “The Act of Killing”, eine Empfehlung der Redaktion die das Genre “Reenactment” entsprechend erklärt.
München 72 – Mode, Menschen und Musik
Im Stadtmuseum München vom 01.07. – 31.12.2022
“Mode, Menschen und Musik” eröffnet eine umfassende Perspektive auf die Olympiade 72. Neben den gewohnten historischen Bildern ragen die unterschiedlichen, konzeptionell gut ausgearbeiteten kulturellen, die Olympiade begleitenden Themenfelder heraus. Dabei geht es insbesondere um den demokratisch-partizipativen Ansatz der Olympiade, denn es war gewünscht, die Menschen über die Wettbewerbe hinaus in Form von offenen Räumen mit einzubeziehen. Räume für Diskurs, Austausch und Teilhabe. Nur, die Kultur-Einrichtungen lagen weit ab von den olympischen Sportstätten. “Das Münchner Organisationskomitee beauftragte Werner Ruhnau (…) mit etwas Neuem. Sport und Kultur sollen räumlich und thematisch in gruppendynamischen Kontakt kommen … und in einen gestalterischen Dialog mit Künstlern* treten. Das Projekt erhält den Namen “Olympische Spielstraße”.” – Stadtmuseum München
An der Spielstraße rund um den Olympiasee fanden 80 Kultur-Stationen ihr Publikum: Straßentheater, visuelle Künste, Performances und Musik waren kostenfrei für alle Altersgruppen offen.
Auch das begleitende Programm war divers ausgelegt. Unter der Überschrift “Weltkulturen und moderne Kunst” gab es Javanische Kunst und eine Indische Woche. Es gab sich das Gewandhausorchester die Ehre, ebenso waren Konzerte von Stockhausen und John Cage musikalische Höhepunkte eines Kulturprogramms, das das Neue feierte. Das Neue als Zeitgeist war, der Ausstellung gemäß unter anderem auch in technologischer bzw. architektonischer und modischer Hinsicht maßgebend.
Den Blick der Menschen zu öffnen, 27 Jahre nach dem 2. Weltkrieg, auf Demokratie, Kultur, Gleichheit, Brüderlichkeit war die Intention der Macher. Die olympischen Spiele sollten Demokratie durch Kultur erlebbar machen. Das Konzept ging auf. So auch der Ansatz der Ausstellung des Stadtmuseums mit, aus unterschiedlichen Ausstellungen zusammengestellten Exponaten, die alle Themenbereiche der Olympiade sinnlich erfahrbar machen. Musik, Tanz, Theater, Mode, Literatur, Politik und Kultur. Die Ausstellung geht noch bis 31.12.2022
Werner Herzog zum 80. Geburtstag
Mit sechszehn Veranstaltungen feiert die Werner Herzog Stiftung gemeinsam mit dem Filmmuseum den Geburtstag von Werner Herzog, der am 5. September 80 Jahre alt wurde.
Werner Herzog hat eine Liste von Filmen zusammengestellt, die die Kinobesucher berühren sollen.
“… Ich danke allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Filmmuseums München für die Mühe, die ich ihnen mit der Beschaffung der Kopien aufgeladen habe. Und dem Publikum wünsche ich denselben Schauer des Erkennens, den ich selbst beim Sehen dieser Filme hatte.” – Werner Herzog
Ausschnitte aus dem Geburtstagsprogramm
- Baal (BRD 1970)
Regie und Buch: Volker Schlöndorff
Kamera: Dietrich Lohmann
Musik: Klaus Doldinger
24.09.2022, 21:00 Uhr - Le samoura’i (Der eiskalte Engel) (Frankreich 1967)
Regie: Jean-Pierre Melville
Buch: Jean-Pierre Melville, Georges Pellegrin nach dem Roman »The Ronin« von Joan Mcleod
Kamera: Henri Decae
30.09.2022, 18:00 Uhr - Rashōmon (Das Lustwäldchen) (Japan 1950)
Regie: Akira Kurosawa
Buch: Shinobu Hashimoto, Akira Kurosawa, nach Erzählungen von Ryünosuke Akutagawa
Kamera: Kazuo Miyagawa
01.10.2022, 18:00 Uhr
Am 14 Oktober wird die Werner Herzog Stiftung den Werner-Herzog-Filmpreis verleihen
- Ghahreman (A Hero – Die verlorene Ehre des Herrn Soltani) von Asghar Farhadi;
14.10.2022, 19:00 Uhr
19.11.2022, 18:00 Uhr (o. Gäste)
Gäste: Asghar Farhadi und Werner Herzog. - The Fire Within: Requiem for Katia und Maurice Krafft von Werner Herzog;
15.10.2022, 20:00 Uhr
Gast. Werner Herzog - Radical Dreamer
von Thomas von Steinaecker
16.10.2022, 20:00 Uhr;
Gast: Werner Herzog, Thomas von Steinacker, Bernhard von Huelsen
Programm-Übersicht
kmkb Film-Tipp: The Act of Killing
25.09.2022, 17:00 Uhr; Filmmuseum München, im Rahmen des 80. Geburtstags von Werner Herzog
Der mehrfach ausgezeichnete Film von Joshua Oppenheimer, Werner Herzog fungierte hier als Ko-Produzent, folgt dem Prinzip des Reenactments, einer möglichst authentischen Inszenierung konkret an historischen Vorkommnissen ausgerichtet.
Der Film erzählt, wie die an Massenmorden Beteiligten als Darsteller, die in Indonesien, während einer Militärdiktator an der Bevölkerung begangenen Verbrechen nachspielen sollen. Die Protagonisten erinnern sich mit Stolz Ihrer Taten, der Machtlust mit der sie die größten Grausamkeiten an der zumeist bäuerlichen Bevölkerung auslebten. Die Stimmung wechselt im Lauf des Films, so etwas wie Zweifel kommt bei den Beteiligten auf.
Der Film rief ambivalente Kritiken hervor:
„‚The Act of Killing‘ nimmt zu dem ansatzweisen Erkenntnisprozess, den er begleitet, eine ambivalente und darin die einzig angemessene Haltung ein. Einerseits zeigt sich das Potenzial des Spiels, des Reenactments, letztlich: des Kinos, historischen Ereignissen eine Unmittelbarkeit, eine konkrete Präsenz zu verleihen, die sie sinnlich und gegenwärtig erfahrbar machen und durch diese Strategie neue Wege des Umgangs mit ihnen erschließen. Andererseits bleibt die Möglichkeit bestehen, sie ihrer historischen Wahrheit zum Trotz als bloßes Spielmaterial zu begreifen…“ – Jochen Werner, perlentaucher.de
Kultur als Bildungsprozess
Reenactment hat in “The Act of Killing” einen, zumindest auf einen Protagonisten, bewusstseinsverändernden Effekt. Am Ort seiner Taten, den er im Verlauf des Films öfters besucht, wo er zuvor sehr anschaulich, auf technische Art die Strangulation seiner Opfer beschrieben hatte, überkommt ihn, ob seiner Taten eine spontane Übelkeit. So bricht sich die, den Taten innewohnende Wahrheit Bahn.