Glitch-Art ist eine künstlerische Ausdrucksform, die auf der Manipulation von digitalen Daten oder Technologien basiert, um visuelle oder klangliche Effekte zu erzeugen. Der Begriff “Glitch” bezieht sich auf Fehler oder Störungen in digitalen Medien, die normalerweise als unerwünscht angesehen werden. Diese Fehler können durch zufällige Ereignisse, Hardwareprobleme oder bewusste Eingriffe verursacht werden.
Glitch-Künstler* verwenden verschiedene Techniken, um diese Fehler gezielt zu erzeugen oder zu manipulieren, um ästhetisch ansprechende und oft unkonventionelle Ergebnisse zu erzielen. Dazu gehören zum Beispiel das Zerschneiden oder Neuarrangieren von Daten, das Verzerren von Bildern oder das Hinzufügen von ungewöhnlichen visuellen Effekten.
Glitch-Art kann in verschiedenen Formen auftreten, darunter digitale Kunstwerke, Videos, Musik und sogar Installationen. Es ist eng mit der digitalen Kultur und dem Experimentieren mit digitalen Medien verbunden und hat in den letzten Jahren durch die Verbreitung von Bildbearbeitungssoftware und digitalen Tools an Popularität gewonnen.
Ausdrucksformen der Glitch-Art
Glitch-Kunst kann sehr vielfältig sein und in Form von Bildern, Videos, Animationen, Musik, Installationen und mehr auftreten. Sie stellt oft die traditionellen Vorstellungen von Perfektion und Kontrolle in der digitalen Kunst in Frage und feiert die Unvollkommenheit und das Unvorhersehbare.
Glitch-Art kann auf verschiedene Weisen entstehen:
- Digitale Manipulation: Künstler können digitale Dateien, wie Bilder oder Videos, bewusst manipulieren, indem sie Dateien “zerstören” oder “verunstalten”, um visuelle Effekte zu erzeugen.
- Hardware-Glitches: Manche Glitch-Künstler nutzen auch physische Störungen von elektronischen Geräten, wie Kameras oder Bildschirmen, um Effekte zu erzielen. Das kann zum Beispiel durch das Erschüttern einer Kamera oder das Stören eines Videosignals geschehen.
- Code-Glitches: In der Software- und Code-Kunst werden bewusst Fehler im Code erzeugt, um visuelle oder interaktive Kunstwerke zu schaffen.
Glitch-Art durch digitale Manipulation
Als Glitch [glɪtʃ] wird in der Fernseh– und Videotechnik eine kurzzeitige Falschausgabe von Bild– oder Toninhalten bezeichnet, ähnlich den Glitches in der Elektronik.
Diese Fehler treten häufig beim Spulen innerhalb eines Filmes bzw. beim Wiedereinsetzen des Filmes nach einem Spulvorgang auf, wenn die benötigten Daten nicht schnell genug zwischengespeichert und wiedergegeben werden können.
– Wikipedia
Datamoshing: Bei dieser Technik werden Videodateien manipuliert, indem die Bildinformationen absichtlich verändert oder gelöscht werden. Dadurch entstehen fließende, verwischte Übergänge zwischen den Bildern. Ein bekanntes Beispiel ist das Musikvideo “Only” von Nicki Minaj, das durch Datamoshing-Effekte gekennzeichnet ist.
Pixel Sorting: Diese Technik beinhaltet das Neuanordnen von Pixeln in einem Bild, oft entlang bestimmter Linien oder Farbwerte. Dadurch entstehen abstrakte und verfremdete Versionen des ursprünglichen Bildes. Der Künstler Kim Asendorf ist bekannt für seine Pixel-Sorting-Arbeiten.
Pixel Sorting auf page.de erklärt
Databending: Hier werden Dateien, wie JPEGs oder Audiodateien, in einem Texteditor geöffnet und verändert, indem man Code hinzufügt oder ändert. Das resultierende Bild oder der Klang sind oft stark verfremdet. Ein bekanntes Beispiel ist das Werk “Trichromy” von Rosa Menkman.
Glitch Portraits: Künstler*innen können auch gezielt Portraits manipulieren, indem sie die Daten der Bilddatei verändern. Dadurch entstehen oft verzerrte, abstrakte Versionen der ursprünglichen Portraits. Ein Beispiel hierfür ist die Serie “Glitched” des Fotografen Paul Juno.
Pixelation und Fragmentierung: Bei dieser Technik werden Bilder durch unregelmäßige Pixelation oder Fragmentierung verändert. Dadurch entstehen Bilder, die zerbrochen oder zerrissen aussehen. Ein Beispiel hierfür ist das Werk “The Great Disruption” von Antonio Roberts.
Glitch-Art durch Hardware-Glitches
Um visuell fesselnde und oft unerwartete Effekte zu erzielen werden die technologischen Grenzen der Hardware gegangen. Optiken, Senoren, Computer-Chips, werden genutzt und deren technische Eigenschaften über- bzw. unterfordert. Es ist eine kreative und experimentelle Herangehensweise an die Kunst, die die Grenzen der Technologie und die Unvollkommenheiten der Geräte feiert.
Camera Tossing: Diese Technik beinhaltet das Werfen einer Kamera in die Luft, während sie ein Bild aufnimmt. Durch die Bewegung und den unregelmäßigen Flug entstehen verzerrte, bewegungsunscharfe Bilder. Der Künstler Ryan Gallagher ist bekannt für seine Camera Tossing Arbeiten.
Lese mehr auf cameratoss.blogspot.org
VHS-Glitches: Ältere VHS-Kameras und -Kassetten haben oft technische Probleme, die zu interessanten Effekten führen können. Durch das Abspielen einer VHS-Kassette in einem fehlerhaften Gerät können Bildstörungen, Farbverschiebungen und andere unerwartete Effekte auftreten.
Databending mit analogen Geräten: Manchmal können auch analoge Geräte wie Videorekorder oder Kameras manipuliert werden, um Glitch-Effekte zu erzeugen. Das kann durch das Eingreifen in die Mechanik des Geräts oder das Stören des Signals geschehen.
Drohnen-Abstürze: Bei der Verwendung von Drohnen für Luftaufnahmen kann es vorkommen, dass die Drohne abstürzt oder unerwartete Bewegungen ausführt. Die dabei aufgenommenen Videos können interessante und unkonventionelle Perspektiven bieten.
Scanner-Glitches: Durch das Zerschlagen oder Manipulieren von Scannern können Artefakte und Störungen erzeugt werden, die zu ungewöhnlichen Bildern führen. Der Künstler Lee Tusman hat dies in seiner Serie “Scanner Glitches” erkundet.
Mehr über die Funktion von Scanner
Scanner-Glitching-Kurs auf Skill-Share
Glitch-Art durch Code-Manipulation
P5.js und Processing: P5.js und Processing sind Programmiersprachen und Entwicklungsumgebungen, die oft für die Erstellung von interaktiver Kunst und Glitch-Art verwendet werden. Künstler* können den Code direkt manipulieren, um visuelle Effekte wie Verzerrungen, Farbverschiebungen und Muster zu erzeugen.
Mehr Infos auf happycoding.io über P5.js
Datamoshing-Software: Es gibt spezielle Software, die es Künstlern ermöglicht, Videodateien zu manipulieren, um Datamoshing-Effekte zu erzeugen. Ein Beispiel ist “Avidemux”, das es Benutzern ermöglicht, Videodateien zu zerlegen und neu zu kombinieren, um fließende und verzerrte Übergänge zu erzeugen.
Mehr über Avidemux
Glitch-Bildgenerator: Es gibt online-basierte Tools und Programme, die es Künstlern ermöglichen, Glitch-Effekte auf Bilder anzuwenden, indem sie den Code der Bilddatei manipulieren. Ein Beispiel ist der “Glitch Art Generator”, der es Benutzern ermöglicht, verschiedene Glitch-Effekte auf ihre Bilder anzuwenden.
Lesen Sie mehr über Glitch-Effekte in Photoshop
Databending mit Audiosoftware: Künstler können auch Audiodateien durch das Manipulieren des Codes in Audio-Editing-Software wie Audacity oder Ableton Live verändern. Durch das Hinzufügen von Effekten, das Verschieben von Daten oder das Zerschneiden von Teilen des Codes entstehen unerwartete Klänge und Texturen.
Antonio Roberts über Databending using Audacity
Generative Kunst: Generative Kunst basiert auf Algorithmen und Regelwerken, die zufällige oder vorhersehbare Muster erzeugen können. Künstler können den Code so manipulieren, dass er kontrollierte Zufälligkeit erzeugt, was zu interessanten und unvorhersehbaren Kunstwerken führt.
Video-Tutorial über Generative Kunst von Sabine Wieluch
Generative Kunst mittels P5.js auf YouTube
Wie tanzt man Glitch? ARTE klärt auf.
In dem Beitrag “Warum sind Fehler schön” geht arte auf die Schönheit des imperfekten ein.
Die belgischen Choreographen Demestri und Lefeuvre lassen sich beim Tanzen von diesen Fehlern inspirieren und spielen mit der Ästhetik des Ungewöhnlichen. Aber warum sind Fehler schön? Und wie tanzt man ein Verbindungsproblem?
Weitere Form der Glitch-Art: Glitchfotografie
Foto: Sylvia John
Kunst im Schaufenster
Im Rahmen von “Kunst im Schaufenster”, einem Format für Künstler* von kmkb, stellte Sylvia John am 05.03.2024 Ihre Glitchfotografie in der Agentur vor.
Und eine Ausstellung in der Pinakothek der Moderne:
Glitch. Die Kunst der Störung
“Die Sonderausstellung Glitch wird auf 1.200 qm Ausstellungsfläche in der Pinakothek der Moderne der „Kunst der Störung“ als globalem Phänomen nachspüren. Internationale Künstler:innen hinterfragen kritisch die Realitätsnähe der Medien, schaffen neue Welten oder decken normative Ordnungen und gesellschaftspolitische Disparitäten auf und machen nicht zuletzt Unsichtbares sichtbar.”
FINISSAGE: FR 08.03.2024, ab 18.30 Uhr
Saal 21–26